Leitsatz (amtlich)
1. Seinem Wortlaut und Normzweck nach enthält § 7 Nr. 6 VOL/A eine obligatorisch zu beachtende, abstrakt getroffene Ausschlussregelung mit bieterschützendem Charakter. Die genannten Einrichtungen sind zum Wettbewerb nicht zuzulassen, ohne Rücksicht darauf, ob sich die Gefahr einer Beeinträchtigung des Bieterwettbewerbs im konkreten Vergabeverfahren realisiert hat oder nicht.
2. Ein parteiunfähig in der Trägerschaft einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft stehendes Jugendaufbauwerk, das sich mit Aufgaben der Jugendhilfe befasst, ist gem. § 7 Nr. 6 VOL/A zum Wettbewerb nicht zuzulassen.
Verfahrensgang
BKartA (Beschluss vom 19.09.2003; Aktenzeichen VK 1 - 77/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 19.9.2003 (VK 1-77/03) aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Beigeladenen aus dem Wettbewerb um die Vergabe einer Maßnahme nach § 241 SGB III, ausbildungsbegleitende Hilfen im Arbeitsamtsbezirk E, Los Nr. 5, auszuschließen und die Bieter sodann nach § 13 VgV neu zu unterrichten.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Vergabekammerverfahrens und des Beschwerdeverfahrens sowie des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu tragen, einschließlich der dort angefallenen außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
Für die Antragstellerin war die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten in beiden Instanzen notwendig.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 9.491,04 Euro.
Gründe
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin und damit ihre sofortige Beschwerde haben Erfolg.
Der Beigeladene ist als Träger einer Einrichtung des Jugendaufbauwerkes vom Bieterwettbewerb auszuschließen. Gemäß § 7 Nr. 6 VOL/A sind Justizvollzugsanstalten, Einrichtungen der Jugendhilfe, Aus- und Fortbildungsstätten oder ähnliche Einrichtungen zum Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen nicht zuzulassen. Wie schon im Senatsbeschluss vom 17.10.2003 ausgeführt, ist das Jugendaufbauwerk eine unter die Vorschrift fallende (öffentliche) Einrichtung. Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien (§ 2 Abs. 1 SGB VIII). Leistungen der Jugendhilfe sind u.a. die Angebote der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung, sowie arbeitsweltbezogene Jugendarbeit (§ 11 Abs. 3 Nr. 1, 3 SGB VIII). Im Rahmen der Jugendsozialarbeit soll jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern (§ 13 Abs. 1 SGB VIII). Dies entspricht auch den sozialpolitischen Zielsetzungen des Jugendaufbauwerkes. Nach § 1 JAWG soll Jugendlichen durch das Jugendaufbauwerk Gelegenheit gegeben werden, sich geistig und körperlich weiterzubilden. Ferner schließt das Jugendaufbauwerk berufsfördernde Maßnahmen ein (§ 1 Abs. 2 JAWG).
Die Beigeladene argumentiert, dass die Jugendaufbauwerke in Schleswig-Holstein aufgrund § 24 Abs. 2 Jugendförderungsgesetz S-H nicht als Einrichtungen einer ausschließlich auf die Jugendlichensituation orientierten Berufshilfe und damit als Jugendhilfe zu werten seien; vielmehr sei Zielrichtung die Integration am 1. Arbeitsmarkt. Auch hiernach bleibt es jedoch dabei, dass sich die schleswig-holsteinischen Jugendaufbauwerke zumindest auch mit der Jugendhilfe befassen und deren sozialpolitische Ziele verfolgen. Auch die Jugendberufsförderung kommt den Zielen der Jugendhilfe zugute.
Die Nichtzulassung des Jugendaufbauwerkes des Beigeladenen zum Wettbewerb entspricht dem Normzweck des § 7 Nr. 6 VOL/A. Grund der Nichtzulassung der in § 7 Nr. 6 VOL/A genannten öffentlichen Einrichtungen ist, dass diese Einrichtungen andere als erwerbswirtschaftliche Ziele, nämlich vorrangig soziale Belange, verfolgen und deshalb oftmals steuerliche Vorteile genießen. Da sie deshalb günstigere Angebote vorlegen könnten, besteht die Gefahr einer Verdrängung privater Unternehmen bei der Vergabe im Preiswettbewerb (vgl. amtliche Erläuterungen zu § 7 Nr. 6 VOL/A; ferner Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 7 Rz. 72; Müller-Wrede, VOL/A, § 7 Rz. 58). Diese Gefahr bestünde auch hier. Für die Maßnahmen des Jugendaufbauwerks stellt das Land Schleswig – Holstein Zuschüsse zur Verfügung (§ 4 JAWG). Träger ist der Beigeladene als Kreis (§ 6 JAWG). Ein wirtschaftliches Minus würde – anders als bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen – nicht notwendig den Untergang der Einrichtung bedeuten. Auch der Vorteil der öffentlichen Hand als Gewährsträger bei der Vergabe von Krediten steht einem gleichen Wettbew...