Leitsatz (amtlich)
Der Anspruchsübergang nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II setzt eine Personenidentität zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Leistungsempfänger voraus. Tatsächliche Aufwendungen des Leistungsträgers für andere Personen, die mit dem Unterhaltsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, führen daher trotz der Regelung in § 9 Abs. 2 SGB II nicht zu einem Anspruchsübergang nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Teilanerkenntnis- und Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Korbach vom 1. September 2020 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Oktober 2017 bis zum 30. April 2019 Unterhalt aus übergegangenem Recht in Höhe von 8.940,79 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Antragsteller 80 % und der Antragsgegner 20 % zu tragen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.356,74 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller (ein Jobcenter) macht gegen den Antragsgegner Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht geltend.
Der Antragsgegner hat eine am XX.XX.2017 geborene Tochter, für die er Kindesunterhalt zahlt. Mit der Kindesmutter war und ist der Antragsgegner nicht verheiratet. Im Haushalt der Kindesmutter leben neben der gemeinsamen Tochter noch zwei ältere Kinder der Kindesmutter, die nicht vom Antragsgegner abstammen.
Der Antragsteller erbrachte im Zeitraum vom 1. Oktober 2017 bis zum 30. April 2019 für die Kindesmutter und ihre beiden ältesten Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Durch Schreiben vom 18. Oktober 2017 (zugestellt am 19. Oktober 2017) forderte er den Antragsgegner mit Blick auf den Unterhaltsanspruch der Kindesmutter aus § 1615l BGB zur Auskunftserteilung auf und wies auf den Anspruchsübergang nach § 33 SGB II hin.
Die Höhe des vom Antragsgegner geschuldeten Unterhalts nach § 1615l BGB ist unstreitig (monatlich 539 EUR für den Zeitraum bis zum 31.12.2017 und monatlich 534 EUR für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2018). Die an die Kindesmutter und ihre beiden ältesten Kinder erbrachten Leistungen nach dem SGB II überstiegen in der Summe jeweils die geschuldeten Monatsbeträge. Im Rahmen einer umfangreichen vorgerichtlichen Korrespondenz hatte der Antragsgegner wiederholt geltend macht, dass er ohne weitere Informationen, insbesondere die Vorlage der Leistungsbescheide des Antragstellers, nicht prüfen könne, in welcher Höhe die Unterhaltsansprüche der Kindesmutter auf den Antragsteller übergegangen seien. Der Anspruchsübergang werde lediglich behauptet, sei aber nicht ausreichend dargelegt.
Nach Einleitung des vorliegenden Verfahrens im November 2019 hat der Antragsteller mehrere Aufstellungen und (teilweise geschwärzte) Leistungsbescheide vorgelegt. Daraufhin hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. August 2020 unter Protest gegen die Kostenlast einen Teilbetrag in Höhe von 8.654,26 EUR anerkannt.
Durch Teilanerkenntnis- und Endbeschluss vom 1. September 2020 hat das Amtsgericht dem Antrag des Antragstellers vollständig stattgegeben und den Antragsgegner für den Zeitraum vom 1. Oktober 2017 bis zum 30. April 2019 zur Unterhaltszahlung aus übergegangenem Recht in Höhe von 10.011 EUR verpflichtet. Die Kosten des Verfahrens hat es zu 86 % dem Antragsteller und zu 14 % dem Antragsgegner auferlegt. Gegen den ihm am 2. September 2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 2. Oktober 2020 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass der Anspruchsübergang nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Personenidentität zwischen dem Empfänger der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und dem Unterhaltsberechtigten voraussetze. Daher finde ein Anspruchsübergang nur in der Höhe statt, in welcher der Träger des Unterhaltsanspruchs Leistungen vom Jobcenter bezogen habe. Dementsprechend sei hier ohne Belang, inwieweit die Leistungen des Antragstellers an die gesamte Bedarfsgemeinschaft geringer ausgefallen wären, wenn der Antragsgegner den Unterhalt an die Kindesmutter rechtzeitig geleistet hätte. Vielmehr komme es allein auf die Leistungen an, die der Antragsteller an die Kindesmutter erbracht habe.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts vom 1. September 2020 abzuändern und den Antrag des Antragstellers insoweit zurückzuweisen, als beantragt ist, den Antragsgegner über den anerkannten Betrag in Höhe von 8.654,26 EUR hinaus zur Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 1.356,74 EUR zu verpflichten.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung. Es sei zu berücksichtigen, dass das Einkommen jedes Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft nach der B...