Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe: sozialhilferechtliche Bedarfsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Soweit die Einkünfte des Antragstellers bei der Gewährung von SGB II- Leistungen an seine Lebensgefährtin im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft herangezogen wurden, kann das einzusetzende Einkommen des Antragstellers aber nach § 115 Abs. 1 Nr. 5 um diesen Betrag als besondere Belastung vermindert werden.
Normenkette
SGB 2 § 7 Abs. 2; ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Gießen (Beschluss vom 11.03.2015; Aktenzeichen 249 F 158/15) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die angeordnete Ratenzahlung entfällt.
Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Das AG hat zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin und deren beiden Kinder in einer sozialhilferechtlichen Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3c und 4 SGB II lebt. Da Verfahrenskostenhilfe staatliche Fürsorge im Bereich der Rechtswahrnehmung vor den Gerichten ist (vgl. BVerfGE 35, 355), orientiert sich auch die Frage, welche Belastungen einem Beteiligten zumutbar sind, wie sich das auch aus den Verweisungen von § 115 Abs. 1 und 3 ZPO auf das SGB XII ergibt, an sozialhilferechtlichen Grundsätzen. Soweit aus der Sicht des SGB II das Einkommen eines Beteiligten nach den in § 115 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Abzügen nicht in vollem Umfang für seinen eigenen Lebensbedarf zur Verfügung steht, sondern auch für weitere Personen einer - in § 115 ZPO nicht erwähnten - einer Bedarfsgemeinschaft einzusetzen ist, verbietet es sich, das Einkommen ungeschmälert als einzusetzenden Einkommen im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe in Ansatz zu bringen (LAG Berlin-Brandenburg JurBüro 2011, 205; OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 421; KG, Beschl. v. 30.3.2006 - 3 WF 42/06 - juris). Dies kann zwar nicht, wie das AG zutreffend erkannt hat, durch eine unmittelbare oder analoge Anwendung des Unterhaltsfreibetrags von § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO geschehen, da im Verhältnis einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine gesetzlichen Unterhaltspflichten bestehen (vgl. Gottschalk in: Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl. 2014, Rz. 270).
Soweit die Einkünfte des Antragstellers bei der Gewährung von SGB II- Leistungen an seine Lebensgefährtin im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft herangezogen wurden, kann das einzusetzende Einkommen des Antragstellers aber nach § 115 Abs. 1 Nr. 5 um diesen Betrag als besondere Belastung vermindert werden.
Der Bedarf der Lebensgefährtin des Antragstellers und ihrer beiden Kinder nach dem SGB II beläuft sich nach dem Bescheid des Jobcenters ... vom 26.1.2015 (ohne den bereits bei dem Beschwerdeführer berücksichtigten Wohnbedarf) auf 1.022 EUR. Auf diesen Bedarf sind deren Einkünfte von 572,15 EUR (vermindert um Versicherungen) anzurechnen, so dass ein verbleibender Bedarf von ca. 450 EUR verbleibt. Auch unter Berücksichtigung des Kindergeldes für den jüngsten Sohn der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ergibt sich ein vom Antragsteller aufzubringender Betrag für die Bedarfsgemeinschaft, der das vom AG errechnete einzusetzende Einkommen i.S.d. § 115 Abs. 2 ZPO von 189 EUR überschreitet.
Dieser Betrag ist als besondere Belastung nach § 115 Abs. 2 Nr. 5 ZPO abzusetzen, so dass Ratenzahlung nicht angeordnet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 8140493 |
FamRZ 2015, 1918 |
NZS 2015, 589 |