Leitsatz (amtlich)
Zur analogen Anwendung des § 850 f. ZPO bei der Begrenzung der Zwangsvollstreckung im Hinblick auf eine Lohnabtretung.
Normenkette
ZPO § 850 f., § 851
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Aktenzeichen 10 O 421/07) |
Gründe
I. Der Kläger hat Begrenzung einer Zwangsvollstreckung der Beklagten im Hinblick auf eine erteilte Lohnabtretung begehrt. Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, von der Lohnabtretung des Verfügungsklägers nur insoweit Gebrauch zu machen, als es sich um Arbeitslohn handelt, der den Betrag von 1.286,33 EUR übersteigt.
Das LG hat dem Antrag stattgegeben.
Wegen der hierzu angestellten Überlegungen wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit der Berufung begehrt die Beklagte Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Antragszurückweisung. Sie wendet sich ferner gegen die von dem Verfügungskläger ausgesprochene Erledigungserklärung in zweiter Instanz.
Die Verfügungsbeklagte bestreitet die tatsächlichen Feststellungen des LG zum Einkommen des Verfügungsklägers und seines Zusammenlebens mit Frau A. Die Berufung wiederholt und vertieft weiterhin ihre Auffassung, dass eine Berücksichtigung von Frau A bei Unterhaltsleistungen des Verfügungsklägers nur dann in Betracht käme, wenn diese aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht erfolgten.
Der Verfügungskläger verteidigt das angefochtene Urteil und erklärt die Hauptsache für erledigt, nachdem Frau A zwischenzeitlich Arbeit gefunden habe und nicht mehr von Unterhaltsleistungen des Verfügungsklägers abhängig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache als unbegründet. Mit zutreffenden Überlegungen, denen sich das Berufungsgericht zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat das LG als Verfügungsanspruch § 850 f. Abs. 1 analog ZPO als Bemessungsgrundlage zur Sicherung des individuellen Sozialhilfebedarfs aufgrund faktischer Unterhaltspflicht nach SGB II angesehen. Überzeugend sind auch die Ausführungen des LG dazu, dass überwiegende Belange der Verfügungsbeklagten nicht entgegenstehen, da sich insoweit lediglich ein Sowieso-Risiko bei der Auswahl eines Schuldners verwirklicht.
Gemäß den Feststellungen des LG im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung lebt der Verfügungskläger in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit Frau A, die seinerzeit arbeitslos war. Ebenfalls ist durch das LG festgestellt, dass der Verfügungskläger wesentlich auch für den Lebensunterhalt von Frau A aufkommen muss, da er gemäß SGB II bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II als Bedarfsgemeinschaft mit dieser angesehen wird, was entsprechende Auswirkungen auf die an ihn geleisteten Zahlungen hat. Diese Sachlage kann bei einer Gesamtschau der gesetzlichen Regelungen zum Schuldnerschutz nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb eine analoge Anwendung des § 850 f. ZPO zwingend geboten ist, um zumindest den notwendigen Lebensunterhalt für den Verfügungskläger und seiner Lebenspartnerin sicherzustellen. Nur mit einer derartigen Anwendung kann dem offensichtlichen gesetzgeberischen Zweck des § 850 f. ZPO Rechnung getragen werden und eine systemwidrige Ungleichbehandlung vermieden werden. Insofern handelt es sich - entgegen dem Hauptangriffspunkt der Verfügungsbeklagten - um eine planwidrige Nichtregelung seitens des Gesetzgebers, die dazu geführt hat, dass eine gesetzliche Unterhaltspflicht im engeren Sinne für den Verfügungskläger nicht besteht.
Das übrige im Tatsächlichen liegende Bestreiten der Verfügungsbeklagten widerspricht zum einen den tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils und ist überdies verspätet.
Nach alledem erwies sich der Erlass der einstweiligen Verfügung seitens des LG als ursprünglich begründet, weshalb die Berufung zurückzuweisen war.
Auf den nunmehr geänderten Feststellungsantrag des Verfügungsklägers war die Erledigung der Hauptsache festzustellen, nachdem nach den Angaben des Verfügungsklägers die Lebensgefährtin A nunmehr eine Arbeitsstelle hat und somit nicht mehr auf Unterhaltsleistungen des Verfügungsklägers angewiesen ist. Dies ist eine nachträgliche Erledigung der Hauptsache.
Nebenentscheidungen: §§ 91, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2086148 |
FoVo 2008, 209 |
ZVI 2008, 384 |
OLGR-West 2009, 117 |