Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsunterhalt nach neuem Recht und Konkurrenz mit Unterhalt nach § 1615l BGB
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Umstand, dass ein Kind an einer allgemeinen Entwicklungsstörung mit Intelligenzminderung, Sprachentwicklungsverzögerungen und leichten autistischen Zügen leidet und deswegen einen erhöhten Förderungs- und Betreuungsbedarf ggü. gleichaltrigen Kindern hat, führt nicht zwingend dazu, dass der betreuende Elternteil sich mit der vollen, ihm zur Verfügung stehenden Arbeitskraft um die Betreuung und Förderung des Kindes kümmern muss. Vielmehr hat er die Zeiten des Aufenthalts des Kindes im Kindergarten zur Ausübung einer Berufstätigkeit zu nutzen. Bei der Bemessung des bei Erfüllung der Erwerbsobliegenheit erzielbaren Einkommens ist zu beachten, dass aufgrund der erfahrungsgemäß oft nur eingeschränkten Flexibilität der Arbeitszeiten auf dem freien Arbeitsmarkt nicht erwartet werden kann, dass der betreuende Elternteil die Zeiten des Aufenthalts des Kindes im Kindergarten im vollen Umfang zur Ausübung einer Berufstätigkeit nutzen kann.
2. Bei der Ermittlung des auf der zweiten Rangstufe verteilbaren Einkommens des Unterhaltspflichtigen ist gemäß § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. der Unterhalt der minderjährigen Kinder nicht mit dem Tabellen-, sondern mit dem Zahlbetrag vorweg in Abzug zu bringen.
Normenkette
BGB §§ 1570, 1601, 1609, 1612b, 1615l; EGZPO § 35 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Gütersloh (Urteil vom 26.04.2007; Aktenzeichen 16 F 451/06) |
Tenor
Das Urteil des AG - FamG - Gütersloh vom 26.4.2007 wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird - in teilweiser Abänderung des Vergleichs vor dem OLG Hamm vom 10.1.2006 (Az.: 2 UF 264/05) - verurteilt, Ehegattenunterhalt wie folgt zu zahlen:
Monatlich 861 EUR für die Zeit vom 15.6.2006 bis einschließlich Februar 2007,
monatlich 743 EUR von März bis einschließlich Juni 2007,
monatlich 746 EUR für Juli 2007,
monatlich578 EUR von August bis einschließlich Dezember 2007 und
monatlich 425 EUR ab Januar 2008.
Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin 1/5 und der Beklagte 4/5.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Höhe des Ehegattenunterhalts der Klägerin.
Die zwischen ihnen am 17.4.2002 geschlossene Ehe ist nach Trennung der Parteien im August 2003 seit dem 20.10.2005 rechtskräftig geschieden. Der am 3.4.1975 geborene Beklagte ist britischer Staatsangehöriger und Angehöriger der britischen Armee. Er ist Vater des am 18.12.1995 geborenen Sohnes K. Seit dem 25.3.2006 ist er wiederverheiratet und lebt mit seiner zweiten Ehefrau in X in Großbritannien. Aus der zweiten Ehe ist am 15.3.2007 ein weiteres Kind, die Tochter D, hervorgegangen. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig.
Die Klägerin ist gelernte Bäckereifachverkäuferin. Seit Wegfall ihres Arbeitslosengeldes am 15.6.2006 bezieht sie Leistungen nach dem SGB II. Der Leistungsträger, die H GmbH, hat die infolge der Leistungsgewährung gem. § 33 Abs. 1 SGB II auf sie übergegangenen Unterhaltsansprüche der Klägerin zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung mit treuhänderischer Inkassozession vom 27.8.2007 an die Klägerin rückabgetreten. Im Zeitraum von September bis Dezember 2006 ist die Klägerin vorübergehend im Geringverdienerbereich erwerbstätig gewesen. Außerdem bezieht sie ab dem 20.7.2006 für den bei ihr lebenden gemeinsamen Sohn der Parteien, K2 (geb. am 29.5.2002), Pflegegeld nach der Pflegestufe I i.H.v. 205 EUR monatlich sowie vom Beklagten durch Urteil des AG - FamG - Gütersloh vom 9.6.2005 (Az. 16 F 255/04) titulierten Kindesunterhalt i.H.v. 135 % des jeweiligen Regelbetrages der Düsseldorfer Tabelle abzgl. des hälftigen anzurechnenden Kindergeldanteils für das gemeinsame Kind K2. Seit dem 29.8.2007 ist sie außerdem Mutter des Weiteren nichtehelich geborenen Kindes D2. Für dieses Kind erhält sie von dessen leiblichem Vater, Herr B, einen durch Jugendamtsurkunde titulierten Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 196 EUR (Zahlbetrag).
Mit Vergleich vom 10.1.2006 vor dem Senat im Verfahren 2 UF 264/05 hat sich der Beklagte zur Zahlung eines monatlichen Ehegattenunterhalts an die Klägerin i.H.v. 425 EUR verpflichtet. Grundlage des Vergleichs war ein monatliches Nettoeinkommen des Beklagten i.H.v. 2.516,95 EUR und ein Einkommen der Klägerin i.H.v. 871,50 EUR monatlich aus Arbeitslosengeld. Außerdem ist berücksichtigt worden, dass der Beklagte seinerzeit 276 EUR monatlich Kindesunterhalt (Tabellenbetrag) ggü. dem gemeinsamen Sohn der Parteien, K2, und weitere 232 EUR monatlich (Zahlbetrag) gegenüber seinem vorehelich geborenen Kind K schuldete.
Nach Wegfall ihres Arbeitslosengeldes und Aufforderung zur Auskunftserteilung mit außergerichtlichem Schreiben vom 24.5.2006 hat die Klägerin erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zur Zahlung eines weiteren - über den im genannten Vergleich festgelegten ...