Leitsatz (amtlich)
1. Für einen Wohn- und Betreuungsvertrag sieht § 9 Abs. 1 S. 1 WBVG eine Entgelterhöhung und eine Erhöhung der gesondert berechenbaren investiven Aufwendungen durch einseitige Erklärung des Unternehmers nicht vor.
2. Eine hiervon zum Nachteil des Verbrauchers abweichende Vertragsklausel des Unternehmers ist gem. § 16 WBVG und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
3. Gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 7 BGB verstößt eine Vertragsklausel des Unternehmers, die ihm nach Vertragsende und fruchtloser Nachfrist die Räumung des überlassenen Wohnraums und die Einlagerung der persönlichen Sachen des Verbrauchers auf dessen Gefahr und Kosten gestattet.
Normenkette
WBVG §§ 9, 16; BGB §§ 305, 307, 309 Nr. 7; UWG § 12 Abs. 1 S. 2; UKlaG § 5
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 27.08.2013; Aktenzeichen 25 O 135/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.8.2013 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Pflegewohnverträge mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1.4.1977, zu berufen:
1. Das XP kann die Abrechnung einer sog. "Abrechnungsstelle" übertragen; der Bewohner erklärt - soweit erforderlich - sein Einverständnis hiermit. (Nr. 5.5 des Vertrages)
2. In den Fällen der zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.1 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.1 des Vertrages)
3. In den Fällen einer zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.2 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.2 des Vertrages)
4. Findet nach Vertragsende und trotz Verstreichens einer angemessenen vom XP gesetzten Nachfrist die Räumung und Abholung der persönlichen Sachen des Bewohners nicht statt, so kann das XP die Räumung und Lagerung der persönlichen Sachen auf Gefahr und Rechnung des Bewohners oder seiner Erben veranlassen. (Nr. 12.3 des Vertrages)
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 142,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.6.2013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Leistung einer Sicherheit i.H.v. 10.000 EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, der als bundesweit tätiger Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 26 verbraucher- und sozial orientierter Organisationen in Deutschland seit dem 16.7.2002 in die beim Bundesjustizamt geführte Liste gem. § 4 UKlaG eingetragen ist, macht gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche nach § 1 UKlaG geltend.
Die Beklagte betreibt eine Seniorenwohnanlage unter der Bezeichnung "XP". In der Anlage bietet die Beklagte die Möglichkeit des "Pflegewohnens" an. Für diesbezügliche Verträge mit den Bewohnern verwendet die Beklagte das Formular "Vertrag Pflege-Wohnen" (Anl. K 1 zur Klageschrift, Bl. 19 ff. d.A.).
Mit Schreiben vom 8.4.2013 (Anl. K 2 zur Klageschrift, Bl. 54 ff.) machte der Kläger die Beklagte darauf aufmerksam, dass sie nach Auffassung des Klägers unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen verwende, und forderte die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Diese fügte er als Formular dem Schreiben vom 8.4.2013 bei (Anl. K 3 zur Klageschrift, Bl. 72 ff. d.A.).
Gegenstand des Schreibens vom 8.4.2013 waren folgende Vertragsklauseln:
1. [Vom Benutzer in seinem Wohnraum aufgestellte benutzte Elektrogeräte unterliegen der Überprüfung durch die Elektrogeräteverordnung und müssen den VDE-Sicherheitsstandards entsprechen.]
Das XP ist befugt, vom Bewohner auf dessen Kosten einen Prüfungsnachweis eines Fachbetriebs zu verlangen. (Nr. 2.2.4 des Vertragsformulars)
2. Wäschekennzeichnung: Mit Blick auf den vom XP übernommenen Wäschedienst gilt, dass für solche Kleidungsstücke, die nicht namentlich gekennzeichnet worden sind, keinerlei Haftung wegen Abhandenkommens übernommen werden kann. (Nr. 2.4.2.1 des Vertragsformulars)
3. [Privat versicherte Bewohner rechnen direkt mit ihrer Pflegekasse ab.]
Das XP kann die Abrechnung einer sog. "Abrechnungsstelle" übertragen; der Bewohner erklärt - soweit erforderlich - sein Einverständnis hiermit. (Nr. 5.5 des Vertragsformulars)
4. [Das XP kann eine Erhöhung des Entgeltes verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert.]
In den Fällen der zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.1 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.1 des Vertragsformulars)
5. [Das XP darf eine Erhöhung der gesondert berechenbaren investiven A...