Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungserinnerung nach Obhutswechsel des Kindes (Unterhaltstitel)
Leitsatz (redaktionell)
Erteilt die Kindesmutter, die die elterliche Sorge gemeinsam mit dem Vater ausübt, einen Auftrag zur Vollstreckung von Kindesunterhalt aus einem Prozessvergleich gegen den Kindesvater und hat das Kind seine Obhut gewechselt, ist die Kindesmutter nicht mehr gesetzliche Vertreterin gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB und kann für das Kind das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht mehr betreiben.
Die nicht mehr ordnungsgemäße Vertretung kann der Schuldner im Wege der Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO und nicht mit einer Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 Abs. 1 ZPO rügen.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2 S. 2; ZPO §§ 766-767
Verfahrensgang
AG Bingen am Rhein (Beschluss vom 07.12.2006; Aktenzeichen 9 F 64/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des AG - FamG - Bingen am Rhein vom 7.12.2006 abgeändert.
Dem Schuldner wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt; ihm wird Rechtsanwalt L. in I. beigeordnet.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die beabsichtigte Vollstreckungserinnerung ist, wie der Schuldner im Beschwerdeverfahren bei sachgerechter Würdigung klargestellt hat (Schriftsatz v. 15.1.2007 - Bl. 38 PKH-Heft - i.V.m. Rechtsbehelfsentwurf v. 22.8.2006 - Bl. 3 ff. GA), auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich des AG Herne-Wanne vom 13.5.2003 - 13 F 427/02 - in der Fassung des Urteils des AG Bochum vom 4.5.2005 - 58 F 367/04 - durch den Gläubiger zu 1) seit März 2006 gerichtet. In diesem Umfang bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1. Der Rechtsbehelf wäre nach § 766 ZPO statthaft und - entgegen der Auffassung des hier als Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO) angerufenen AG - auch zulässig.
a) Nach dem Obhutswechsel war die - gemeinsam mit dem Schuldner die elterliche Sorge ausübende - Kindesmutter nicht mehr berechtigt, den Gläubiger zu 1) zu vertreten (vgl. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB) und in dessen Namen die Zwangsvollstreckung aus dem hier zugrunde liegenden Unterhaltstitel zu betreiben; dies gilt auch im Hinblick auf die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Unterhaltsrückstände (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 12.7.2004 - 7 WF 570/04 = FamRZ 2005,993 f.; OLG Hamm FamRZ 1990, 890; Staudinger/Peschel-Gutzeit [2002], § 1629 Rz. 359 unter Hinweis auf einen etwaigen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch des bisherigen Obhutsinhabers).
Die seither nicht mehr ordnungsgemäße Vertretung des Gläubigers zu 1) soll der Schuldner im Wege der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO rügen können (OLG Koblenz a.a.O.; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 766 Rz. 15; a.A. Staudinger/Peschel-Gutzeit, a.a.O., Rz. 386; Veit in Bamberger/Roth, BGB, 1. Aufl. 2003, § 1629 Rz. 50 m.w.N.: Vollstreckungsabwehrklage). Dem ist jedenfalls dann zu folgen, wenn der Schuldner - wie hier - durch das Prozessgericht mit der betreffenden Einwendung ausdrücklich auf das Erinnerungsverfahren verwiesen wurde (Beschl. des AG Bochum v. 1.9.2006 - 58 F 290/06 - [Bl. 31/32 GA] i.V.m. Anerkenntnisurt. v. 18.10.2006 [Bl. 37/38 GA]).
b) Auch ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners kann nicht verneint werden.
Der Schuldner verfolgt in Ansehung des Gläubigers zu 1) mit Wirkung seit dessen Obhutswechsel die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung im Ganzen; das Rechtsschutzziel der gegenständlichen Erinnerung nähert sich damit einer Vollstreckungsabwehrklage i.S.d. § 767 ZPO an (zur str. Abgrenzung s. soeben unter a.). Das Rechtsschutzbedürfnis besteht für den Schuldner jedenfalls vom Beginn der Zwangsvollstreckung bis zu ihrer vollständigen Beendigung; eine bloße Verzichtserklärung ohne gleichzeitige Herausgabe des Titels beseitigt das Rechtschutzbedürfnis nach allgemeinen Grundsätzen noch nicht (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 767 Rz. 8). Die bei Titeln auf wiederkehrende (Unterhalts-/Leistungen gebotene Einschränkung (vgl. BGH NJW 1984, 2826 [2827]; 1994, 1161 [1162]) greift hier nicht Platz, da der (durch die Kindesmutter vertretene) Gläubiger zu 1) für die Zeiträume nach dem Obhutswechsel die vollstreckbare Ausfertigung nicht mehr benötigt.
Unbeschadet dessen kann nach den Umständen des Streitfalls aber auch ein - fortwirkendes - Drohen der Zwangsvollstreckung ohnehin nicht sicher ausgeschlossen werden. Die Kindesmutter hat noch im Juni 2006 einen Zwangsvollstreckungsauftrag (auch) für den Gläubiger zu 1) erteilt (Bl. 13 ff. GA); der Gerichtsvollzieher hat daraufhin den Schuldner - rechtsirrig - zunächst zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen (Bl. 17 f. GA) und in der Folge den "normalen Vollstreckungsauftrag" weiter befolgt (Bl. 29 GA). Aus den prozessualen Erklärungen der Kindesmutter ergibt sich schließlich, dass sie die Zwangsvollstreckung - "...