Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten für die medizinische Versorgung eines mittellosen, nicht krankenversicherten Notfallpatienten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Krankenhausträger kann die Kosten für die medizinische Versorgung eines mittellosen, nicht krankenversicherten Notfallpatienten weder nach Aufopferungs- noch nach Enteignungsgrundsätzen oder öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag vom Staat ersetzt verlangen. Diese Kosten sind vielmehr nach den einschlägigen Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes, die den Vermögensinteressen des Krankenhausträgers in ausreichender Weise Rechnung tragen, gegen den örtlichen Sozialhilfeträger - ggf. im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren - geltend zu machen.
2. Eine dem Krankenhausträger nachteilige richterrechtliche Beweislastverteilung (hier: für die sozialhilferechtliche Hilfebedürftigkeit des Patienten) verstößt nicht gegen das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Gebot zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes.
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 16.01.2004; Aktenzeichen 1 O 278/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bonn vom 16.1.2004 - 1 O 278/03 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, Träger des K Hospitals in E, begehrt von der Beklagten unter Aufopferungs- und Enteignungsgesichtspunkten Ersatz seiner Aufwendungen für die Behandlung der - nicht krankenversicherten - Patientin S T, die am 24.11.1999 als medizinischer Notfall in das vorgenannte Krankenhaus eingeliefert wurde und dort nach zwei Operationen am 21.1.2000 verstarb. Die gesetzlichen Erben der Frau T schlugen die Erbschaft aus. Ein Antrag des Klägers auf Übernahme der Behandlungskosten wurde vom zuständigen Sozialamt mit der Begründung abgelehnt, die erforderliche Hilfebedürftigkeit der Patientin lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen (Bl. 124 GA). Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos; eine verwaltungsgerichtliche Klage hat der Kläger nicht erhoben.
Der Kläger meint, die Beklagte - sowie das in 1. Instanz mitverklagte Land O - müsste ihn für die entstandenen Behandlungskosten nach Aufopferungs- und/oder Enteignungsgrundsätzen entschädigen. Es könne nicht sein, dass er bzw. das Krankenhauspersonal zwar nach § 323c StGB unter Strafandrohung zur medizinischen Nothilfe verpflichtet sei, dann aber auf seinen Kosten "sitzen bleibe". Eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Sozialhilfeträgers sei aussichtslos gewesen, da nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG der Nothelfer im Rahmen des § 121 BSHG die materielle Beweislast für die Hilfebedürftigkeit trage und dieser Beweis kaum zu führen gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Das LG hat die auf Zahlung von 16.593,17 Euro gerichtete Klage abgewiesen, weil etwaige Ansprüche aus Aufopferung oder Enteignung jedenfalls subsidiär ggü. den Ansprüchen nach dem BSHG gegen den Sozialhilfeträger seien. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag lediglich noch gegen die beklagte Bundesrepublik weiter. Er hält die vom LG angestellten Subsidiaritätserwägungen für fehlerhaft. Für ihn sei es weder zumutbar gewesen, die Vermögensverhältnisse der Patientin zu ermitteln noch, die Behandlungskosten während eines jahrelangen verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens gegen den Sozialhilfeträger - in dem er ohnehin nicht hätte obsiegen können - vorzufinanzieren. Dies verstoße gegen das Gebot der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG. In der Sache liege in der strafrechtlichen Sanktionsandrohung des § 323c StGB ein Eingriff in die Freiheit des Krankenhauses, stationäre Behandlungen "eigentlich" nur gegen Entgelt erbringen zu wollen. Das Recht, eine angemessene Vergütung durchsetzbar fordern zu dürfen, sei verfassungsrechtlich durch Art. 12 GG geschützt. Angesichts dessen stellten sich die Kosten der medizinischen Notfallhilfe als Sonderopfer dar, für das die Beklagte ihn unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung zu entschädigen habe. Hilfsweise stützt der Kläger sein Begehren auf die Grundsätze des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs, den Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung sowie - weil der Schutz des Lebens an sich die verfassungsrechtliche Aufgabe des Staates sei - öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag. Im Zweifel müsse die offensichtlich bestehende Regelungslücke im Krankenhausvergütungsrecht durch richterrechtliche Fortentwicklung des Staatshaftungsrecht...