Leitsatz (amtlich)
Allein der Umstand, dass die Verbüßung der Strafhaft zu tatsächlichen Behinderungen bei der Ausübung des Sorgerechts durch den anderen Elternteil führen mag, rechtfertigt keine Entziehung seiner elterlichen Sorge.
Verfahrensgang
AG Naumburg (Beschluss vom 09.08.2002; Aktenzeichen F 505/01) |
Tenor
Auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG – FamG – Naumburg vom 9.8.2002 abgeändert und der Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Antragstellerin abgewiesen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 3.000 Euro.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner streiten über das Sorgerecht für ihr eheliches Kind J.P. (geboren 18.10.1994). Die Kindesmutter und das Kind sind deutsche Staatsbürger, der Kindesvater besitzt die ukrainische Staatsbürgerschaft.
Die Ehe der Kindeseltern wurde durch – rechtskräftiges – Urteil des FamG vom 24.11.1999 geschieden. Im Scheidungsverfahren wurde kein Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf einen Elternteil gestellt; vielmehr erklärten die Kindeseltern im Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 13.1.1999 übereinstimmend, ihr Verhältnis zueinander habe sich entspannt und sie seien sich einig, dass das Sorgerecht für ihr Kind auch nach der Ehescheidung gemeinsam ausgeübt wird, und zwar mit der Maßgabe, dass das Kind seinen Aufenthalt bei der Kindesmutter hat.
Ein Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge wurde erst mit Schriftsatz vom 21.11.2001 gestellt. Diesem Antrag der Kindesmutter gab das FamG durch richterlichen Beschluss vom 9.8.2002 statt. Dagegen hat der Kindesvater befristete Beschwerde eingelegt.
II.1. Die befristete Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft (§ 621e Abs. 1 ZPO, §§ 19, 20 FGG) und zulässig; denn sie wurde innerhalb eines Monats seit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses formgerecht eingelegt und form- und fristgerecht begründet (§ 517, 520 Abs. 1, 2 und 3 S. 1, § 621e Abs. 3 ZPO n.F.).
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg:
a) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das FamG die elterliche Sorge oder einen Teil der Sorge überträgt (§ 1671 Abs. 1 BGB). Dem Antrag ist – durch richterlichen Beschluss (§ 14 Abs. 1 Nr. 15 RPflG) – stattzugeben, soweit der andere Elternteil zustimmt (§ 1671 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung der alleinigen Sorge auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
b) Der Antragsgegner, dem die elterliche Sorge für das (am 18.10.1994 geborene) Kind J. P. gemeinsam mit der Antragstellerin zusteht (§ 1626 BGB), hat der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Antragstellerin nicht zugestimmt und es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und eine Übertragung der alleinigen Sorge auf die Antragstellerin dem Kindeswohl am besten entspricht:
aa) Während der mündlichen Verhandlung vom 13.1.1999 hat der Antragsgegner seine Einwilligung dazu gegeben, dass sich das Kind bei der Antragstellerin aufhält. Hält sich ein Kind mit Einwilligung eines Elternteils bei dem anderen Elternteil auf, hat dieser Elternteil die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1687 Abs. 1 S. 2 BGB), also in sämtlichen Angelegenheiten, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (§ 1687 Abs. 1 S. 3 BGB). Außerdem steht dem betreuenden Elternteil die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung zu (§ 1687 Abs. 1 S. 4 BGB); auf Grund dieser Befugnis ist er bei Gefahr im Verzug berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind, und braucht den anderen Elternteil von seinen Rechtshandlungen nur unverzüglich zu informieren (§ 1687 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 1629 Abs. 1 S. 4 BGB). Der betreuende Elternteil hat lediglich alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert (§ 1687 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 1684 Abs. 2 S. 1 BGB). Schon angesichts der – weitgehenden – Befugnisse der Antragstellerin ist zweifelhaft, ob ein Bedürfnis für eine Entziehung der elterlichen Sorge des Antragsgegners besteht.
bb) Im Übrigen sind Eigenmächtigkeiten des Antragsgegners wie Überschreitungen des Umgangs mit dem Kind, die im Anschluss an die Ehescheidung vorgekommen sein mögen, seit der Verhaftung des Antragsgegners im April 2001 bis auf Weiteres nicht mehr möglich, so dass Konflikte mit der Antragstellerin, die das Kindeswohl betreffen, beendet sind. Denn am 6.12.2001 wurde der Antragsteller vom LG Halle zu einer fünfeinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Bei einer so hohen Freiheitsstrafe kam eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht in Betracht (§ 56 StGB). D...