2.1 Begünstigter Personenkreis
Laufende Geldleistungen, die den Lebensunterhalt sichern, können in angemessener Höhe an den Ehegatten, den Lebenspartner oder an die Kinder des Sozialleistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Laufende Geldleistungen in diesem Sinn sind z. B. Kranken- und Arbeitslosengeld oder Renten.
Die Auszahlung des abgezweigten Betrags kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Ehegatten, dem Lebenspartner oder den Kindern Unterhalt gewährt. "Stelle" in diesem Sinn ist z. B. eine Behörde, die Leistungen nach dem Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter oder Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen erbringt. Der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch des Ehegatten, Lebenspartners oder der Kinder geht in diesem Fall auf die Behörde über.
2.2 Gesetzliche Unterhaltspflicht
Unterhaltstitel
Maßstab ist die konkrete gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Empfängers der laufenden Geldleistung. Sie ergibt sich entweder aus einem Unterhaltstitel (z. B. in Form eines rechtskräftigen Urteils) oder ist nach den in der Praxis hierzu verwendeten Tabellen verschiedener Oberlandesgerichte zu ermitteln (z. B. Düsseldorfer Tabelle).
Der gesetzlichen Unterhaltspflicht steht eine vertragliche gleich, soweit durch sie die gesetzliche Unterhaltspflicht konkretisiert wird (z. B. Unterhaltsvergleich). § 48 SGB I ist nicht auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber anderen Personen als dem Ehegatten oder den Kindern anwendbar.
Leistungsfähigkeit
Eine Abzweigung ist nur zulässig, wenn der Empfänger der laufenden Geldleistung im Hinblick auf den Unterhaltsbedarf seiner Angehörigen leistungsfähig ist. Die für die Abzweigung vorausgesetzte "gesetzliche Unterhaltspflicht" erfordert nicht nur
die Bedürftigkeit des jeweiligen Angehörigen, der außerstande sein muss, sich selbst zu unterhalten,
sondern auch
- die Fähigkeit des Empfängers der laufenden Geldleistung zu Unterhaltsleistungen.
Unterhaltspflichtig ist nicht, wer außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
2.3 Fehlende gesetzliche Unterhaltspflicht
Wenn eine Abzweigung nach § 48 Abs. 1 SGB I nicht möglich ist, ist die Abzweigung nach § 48 Abs. 2 SGB I zu prüfen. Danach kann auch beim Fehlen einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung in bestimmten Fällen abgezweigt werden.
Die Vorschrift erfasst den Fall, in dem
- eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung wegen fehlender Leistungsfähigkeit nicht besteht,
- der Sozialleistungsberechtigte keinerlei Unterhalt erbracht hat und
- von einer laufenden Geldleistung abgezweigt werden soll, die unter Berücksichtigung von Kindern erbracht wird.
Eine Leistung in diesem Sinne ist z. B. der Unterschiedsbetrag zwischen erhöhtem und allgemeinem Leistungssatz beim Arbeitslosengeld.
2.4 Verwaltungsverfahren
Verwaltungsakt
Die Entscheidung des Sozialleistungsträgers über die Abzweigung von laufenden Geldleistungen an Dritte ist ein Verwaltungsakt aufgrund einer Ermessensentscheidung. Bei Abzweigungen an mehrere Unterhaltsberechtigte oder an Dritte (z. B. Jugendamt, Sozialamt) ist der Gesamtabzweigungsbetrag entsprechend aufzuteilen. Die Entscheidung kann nur einheitlich gegenüber den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens ergehen.
Ermessen
Der Sozialleistungsträger kann, auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, von der an sich möglichen Abzweigung absehen, wenn eine solche Maßnahme nicht angezeigt erscheint.
Das Ermessen bezieht sich auch auf den Zeitpunkt des Beginns einer Abzweigung, d. h. den Zeitpunkt, zu dem der Sozialleistungsträger hätte tätig werden müssen. Dabei müssen sowohl die Dauer und der Umfang der unterbliebenen Unterhaltsleistung als auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden.
Doppelwirkung
Der Verwaltungsakt des Sozialleistungsträgers hat Doppelwirkung. D. h. er belastet den Sozialleistungsberechtigten und begünstigt den oder die Unterhaltsberechtigten. Bestandteil der Begründung sind die Erwägungen, die der Sozialleistungsträger bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt hat.
2.5 Höhe der Abzweigung
Zur Höhe der Auszahlung an Dritte enthält das Gesetz den unbestimmten Rechtsbegriff "angemessene Höhe".
Der Sozialleistungsträger hat in diesem Zusammenhang einen Beurteilungsspielraum (Auslegungsermessen). Dazu werden regelmäßig
- die Zweckbestimmung,
- die Höhe der laufenden Geldleistung sowie
- die wirtschaftlichen Verhältnisse und Bedürfnisse
der Beteiligten berücksichtigt. Dem Sozialleistungsberechtigten ist ein Betrag zu belassen, der seinen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet.