§ 1 Grundlagen und Ziele

 

(1) 1Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss gemäß § 37a und § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) beschlossene Richtlinie regelt Voraussetzungen, Art und Umfang der Versorgung mit Soziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung. 2Dazu gehören auch Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit der Verordnerin oder des Verordners (gemäß der in § 4 genannten Berufsgruppen) mit dem Erbringer der soziotherapeutischen Leistung (soziotherapeutischer Leistungserbringer).

 

(2) 1Schwer psychisch Kranke sind häufig nicht in der Lage, Leistungen, auf die sie Anspruch haben, selbständig in Anspruch zu nehmen. 2Soziotherapie nach § 37a SGB V soll ihnen die Inanspruchnahme ärztlicher oder psychotherapeutischer sowie ärztlich oder psychotherapeutisch verordneter Leistungen ermöglichen. 3Sie soll Patientinnen und Patienten durch Motivierungsarbeit und strukturierte Trainingsmaßnahmen helfen, psychosoziale Defizite abzubauen; Patientinnen und Patienten sollen in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Leistungen zu akzeptieren und selbständig in Anspruch zu nehmen. 4Sie ist koordinierende und begleitende Unterstützung und Handlungsanleitung für schwer psychisch Kranke auf der Grundlage von definierten Therapiezielen. 5Dabei kann es sich auch um Teilziele handeln, die schrittweise erreicht werden sollen.

 

(3) 1Soziotherapie kann verordnet werden, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist. 2Sie kommt auch in Betracht, wenn bisher kein stationärer Aufenthalt stattgefunden hat. 3Die Erbringung von Soziotherapie erfolgt bedarfsgerecht und ist an einer wirtschaftlichen Mittelverwendung zu orientieren. 4Bei der Verordnung von Soziotherapie sind die in §§ 2 und 3 festgelegten Indikationen und Kriterien zu beachten.

 

(4) Die Durchführung der Soziotherapie setzt einen mit der Verordnerin oder dem Verordner und der oder dem Versicherten abgestimmten und vom soziotherapeutischen Leistungserbringer zu erstellenden soziotherapeutischen Betreuungsplan voraus.

 

(5) Soziotherapie findet überwiegend im sozialen Umfeld der Patientin oder des Patienten statt.

 

(6) Soziotherapie umfasst die Koordination der im Rahmen des Behandlungsplans festgelegten Maßnahmen.

 

(7) Soziotherapie unterstützt einen Prozess, der Patientinnen und Patienten einen besseren Zugang zu ihrer Krankheit ermöglicht, indem Einsicht, Aufmerksamkeit, Initiative, soziale Kontaktfähigkeit und Kompetenz gefördert werden.

 

(8) Für die medizinische Behandlung relevante Informationen, die der soziotherapeutische Leistungserbringer durch die Betreuung der oder des Versicherten gewinnt, sollen durch die Zusammenarbeit zwischen ihm und der Verordnerin oder dem Verordner für die Behandlung nutzbar gemacht werden.

§ 2 Indikation und Therapiefähigkeit

 

(1) Die Indikation für Soziotherapie ist gegeben bei einer Beeinträchtigung der Aktivitäten (Fähigkeitsstörungen) in mindestens einem der in Absatz 2 aufgeführten Bereiche und einem Ausmaß gemäß Absatz 3 wegen einer schweren psychischen Erkrankung gemäß Absatz 4 sowie bei den in Absatz 5 genannten Fällen.

 

(2) 1Der Soziotherapie bedürfen Versicherte, bei denen durch schwere psychische Erkrankung hervorgerufene Beeinträchtigungen der Aktivitäten dazu führen, dass sie in ihren Fähigkeiten zur selbständigen Inanspruchnahme ärztlicher oder psychotherapeutischer sowie ärztlich oder psychotherapeutisch verordneter Leistungen erheblich beeinträchtigt sind. 2Dies trifft zu, wenn folgende Beeinträchtigungen (alternativ oder kumulativ) gegeben sind:

  • Beeinträchtigung durch Störungen des Antriebs, der Ausdauer und der Belastbarkeit, durch Unfähigkeit zu strukturieren, durch Einschränkungen des planerischen Denkens und Handelns sowie des Realitätsbezuges,
  • Störungen im Verhalten mit Einschränkung der Kontaktfähigkeit und fehlender Konfliktlösungsfähigkeit,
  • Einbußen im Sinne von Störungen der kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration und Merkfähigkeit, der Lernleistungen sowie des problemlösenden Denkens,
  • krankheitsbedingt unzureichender Zugang zur eigenen Krankheitssymtomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen.
 

(3) 1Zur Bestimmung des Ausmaßes der Beeinträchtigung der Aktivität soll die GAF[1] Skala herangezogen werden. 2Orientierungswert ist 40 (höchstens ≤ 50).

 

(4) 1Schwere psychische Erkrankungen in diesem Sinne sind solche aus den Bereichen des schizophrenen Formenkreises (ICD-10-Nummern: F20.0 – 20.6 [Schizophrenie], 21 [schizotype Störung], 22 [anhaltende wahnhafte Störung], 24 [induzierte wahnhafte Störung] und 25 [schizoaffektive Störung]) und der affektiven Störungen (ICD-10-Nummern: F31.5 [gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung], 32.3 [schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen] und 33.3 [gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung]). 2Bei Verordnungen nach § 5 Absatz 2 genügt auch der Verdacht auf eine schwere ...

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