Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenhaus. Rechtsstreit über Bestimmungsbescheid nach § 116b Abs 2 SGB 5. Keine Zuständigkeit der Fachkammern und Fachsenate für Vertragsarztrecht. Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit während bereits anhängigen Verfahren. Kein absoluter Vorrang der vertragsärztlichen Versorgung gegenüber Behandlung der Krankenhäuser nach § 116b Abs 2 SGB 5. Klagebefugnis der niedergelassenen Vertragsärzte. Umfang des Berücksichtigungsgebotes der vertragsärztlichen Versorgungssituation. Inhalt des Bestimmungsbescheides. Zuständige Behörde. Streitwertfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Rechtsstreite über einen Bestimmungsbescheid nach § 116b Abs 2 SGB 5 sind die Fachkammern der Sozialgerichte für das Vertragsarztrecht und die Fachsenate der Landessozialgerichte für das Vertragsarztrecht nicht zuständig (§§ 10 Abs 2, 31 Abs 2 SGG).

2. Auch während eines bereits anhängigen Rechtsstreits kann die zum Erlass des Bestimmungsbescheides, eines Verwaltungsaktes nach § 31 SGB 10, zuständige Behörde die sofortige Vollziehbarkeit anordnen.

3. Bei den von § 116b SGB 5 erfassten Leistungen besteht kein absoluter Vorrang der vertragsärztlichen Versorgung gegenüber der ambulanten Behandlung durch die Krankenhäuser. Eine völlige Gleichrangigkeit besteht hingegen auch nicht.

4. Vertragsärzte, die sich im regionalen Einzugsbereich eines nach § 116b Abs 2 SGB 5 zur ambulanten Leistungserbringung bestimmten Krankenhaus befinden und dieselben Leistungen anbieten, haben die Befugnis, den Bestimmungsbescheid anzufechten (defensive Konkurrentenklage).

5. Die in § 116b Abs 2 SGB 5 angeordnete "Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation" entfaltet schon einfachrechtlich zugunsten der Vertragsärzte drittschützende Wirkung.

6. Das Berücksichtigungsgebot beinhaltet, dass die regionale vertragsärztliche Versorgungssituation durch die Bestimmung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung, bezogen auf die Leistungen nach § 116b Abs 3 und 4 SGB 5, nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf. Der einzelne Vertragsarzt hat aber weder einen Anspruch auf Konkurrenzschutz noch einen Anspruch auf wirtschaftlichen Bestandsschutz.

7. Die den Bestimmungsbescheid erlassende Behörde hat bei der Entscheidung über den Antrag des Krankenhauses neben der vertragsärztlichen Versorgungssituation zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang die Bestimmung des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung den Zielen der Qualitäts- und Effizienzsteigerung sowie der Patientengerechtigkeit entspricht. Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Versorgungsformen ist kein Selbstzweck.

8. Die behördliche Entscheidung kann vor dem Hintergrund des Prognoserisikos künftiger Entwicklungen auch Einschränkungen bei der Bestimmung des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung vorsehen, etwa in Gestalt befristeter Kontingentierungen.

9. Der Bestimmungsbescheid muss die maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen berücksichtigen. Die Erwägungen der Behörde müssen so hinreichend deutlich begründet sein, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar ist. Es genügt jedenfalls nicht, dass im Bescheid ausgeführt wird, die vertragsärztliche Versorgungssituation sei berücksichtigt worden.

10. Das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes" (§ 116b Abs 2 S 1 SGB 5) ist lediglich eine Zuständigkeitsregelung. Die materiellrechtlichen Regelungen des Krankenhausplanungsrechts finden keine Anwendung. In Sachsen ist die nach § 116b Abs 2 SGB 5 zuständige Behörde das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz.

 

Tenor

I. Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 1 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 29. September 2009 werden zurückgewiesen.

II. Antragsgegner und Beigeladene zu 1 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Im Streit steht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Bescheid zur Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung onkologischer Erkrankungen.

Der Antragsteller ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt “Gynäkologische Onkologie„. Er nimmt seit 01.07.2005 in C. an der vertragsärztlichen Versorgung teil und ist “onkologisch verantwortlicher Arzt„ nach der Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten (Onkologie-Vereinbarung) zwischen der zu 7 beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie dem Verband der Ersatzkassen. Die Beigeladene zu 1 ist Träger eines in den Krankenhausplan des Antragsgegners aufgenommenen Krankenhauses der Schwerpunktversorgung in C. . Zugleich betreibt die Beigeladene zu 1 über eine Tochtergesellschaft in C. zwei Medizinische Versorgungszentren (MVZ) mit jeweils einer gynäkologisch-onkologischen Schwerpunktpraxis.

Die Beigeladene...

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