Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Umzug. Einholung der vorherigen Zusicherung des Grundsicherungsträgers. Obliegenheitspflicht des Hilfebedürftigen. Schutz vor Kürzung der Unterkunftskosten. einstweiliger Rechtsschutz. Angemessenheitsprüfung. fehlendes schlüssiges Konzept. Heranziehung der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag
Leitsatz (amtlich)
1. Das Erfordernis, die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gem § 22 Abs 4 S 1 SGB 2 einzuholen, ist lediglich eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, stellt also keine Anspruchsvoraussetzung dar. § 22 Abs 4 S 1 SGB 2 kommt jedoch die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden. Die Regelung dient dem Schutz der Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2, die in der nur gekürzten Übernahme der tatsächlichen angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Übergangsfrist bestehen.
2. Zur Erteilung der Zusicherung ist der kommunale Träger verpflichtet, wenn die Kosten der neuen Unterkunft angemessen sind und der Umzug erforderlich ist. Der Umzug ist erforderlich, wenn er der Reduzierung der Kosten der Unterkunft dient.
3. Wenn ein schlüssiges Konzept des kommunalen Trägers zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach dessen Bekundung nicht vorliegt, kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Angemessenheitsobergrenze nach dem Tabellenwert der §§ 8 bzw 12 WoGG (juris: § 8 WoGG 2 aF, § 12 WoGG nF) - jeweils rechte Spalte - zuzüglich Sicherheitszuschlages abgestellt werden.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 20. April 2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Zusicherung zum Umzug in die Wohnung ... xx, ... D... .
Die 1974 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der 2001 geborenen Antragstellerin zu 2), des 2007 geborenen Antragstellers zu 3) und des im Mai 2011 geborenen Antragstellers zu 4). Die Antragsteller zu 1) bis 3) bewohnten zunächst eine 80,6 m² große Vier-Zimmerwohnung, für die eine monatliche Grundmiete in Höhe von zuletzt 620,00 € und monatliche Vorauszahlungen für Nebenkosten und Heizkosten in Höhe von insgesamt 140,00 € anfielen. Der Antragsgegner bewilligte jedoch lediglich die aus seiner Sicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von zuletzt 464,70 €/Monat.
Mit Schreiben vom 31.01.2011 beantragte die Antragstellerin zu 1) die Erteilung der Zustimmung zum Umzug in die 90 m² große Vier-Zimmerwohnung ... xx in D. , für die eine Grundmiete in Höhe von 460,00 €, kalte Betriebskosten in Höhe von 124,00 € und eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 100,00 €/Monat zu zahlen sind. Sie lebe in einer zu teuren Wohnung und könne die Differenz zwischen der monatlichen Miete einschließlich Nebenkosten und den vom Antragsgegner gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung kaum noch aufwenden.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23.02.2011 ab. Der Umzug sei zwar notwendig, die neue Wohnung entspreche jedoch nicht seinen Angemessenheitskriterien. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Antragsteller vom 23.03.2011.
Am 24.03.2011 haben die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Leipzig (SG) gestellt. Die neue Wohnung sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angemessen, zumal die Bedarfsgemeinschaft ab Mai 2011 aus insgesamt vier Personen bestehen werde. Die bislang bewohnte Wohnung sei zum 30.04.2011 gekündigt worden. Die Antragstellerin zu 1) habe mit der künftigen Vermieterin einen Entwurf des Mietvertrages aufgesetzt und benötige - insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Geburt - Rechtssicherheit.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Die neue Wohnung sei unangemessen. Die künftige Bruttokaltmiete würde den aus der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) für einen Vier-Personen-Haushalt in der Mietstufe III ermittelten Höchstwert von 556,00 €/Monat übersteigen. Die Wohnung sei daher nicht angemessen. Ferner fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Antragsteller hätten den Mietvertrag für die neue Wohnung bereits verbindlich unterzeichnet. Damit drohe keine Obdachlosigkeit, weil als Mietbeginn der 01.05.2011 vereinbart sei.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 20.04.2011 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern die Zusicherung zu den Aufwendungen für die Wohnung ... xx, 1. Stock, ... D... (Grundmiete: 460,00 €, Nebenkosten 110,00 €, Heizkosten 115,00 €/Monat) zu erteilen.
Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Wohnung die Zusicherung des für die ...