Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Anordnungsgrund. maßgeblicher Zeitpunkt. wesentlicher Nachteil. Arbeitslosengeld II. abweichende Erbringung. Schülerbeförderungskosten. Darlehen. Höhe der Tilgungsrate. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes.
2. Zur darlehnsweisen Bewilligung von Schülerbeförderungskosten gemäß § 23 Abs 1 SGB 2.
Orientierungssatz
1. Zu verfahrensrechtlichen Problemen bei der Durchsetzung von Ansprüchen im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft.
2. Die Annahme eines schweren unzumutbaren Nachteils iS des § 86b Abs 2 S 2 SGG scheidet aus, wenn das Darlehen durch monatliche Aufrechnung iHv 3% der bewilligten Regelleistungen getilgt wird (vgl LSG Hamburg vom 11.1.2007 - L 5 B 531/06 ER AS).
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 27.9.2006 - L 7 B 18/06 KA ER).
4. Werden Leistungen der Grundsicherung für einen Zeitraum in der Vergangenheit geltend gemacht, ist ein Anordnungsgrund nur zu bejahen, wenn noch ein gegenwärtiger schwerer unzumutbarer Nachteil besteht, der glaubhaft gemacht wird. Grundsätzlich besteht ein Anordnungsgrund erst recht nicht für Leistungszeiträume vor Antragstellung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht.
5. Obwohl in § 20 Abs 1 S 1 SGB 2 nur einzelne Bereiche beispielhaft erwähnt sind, gehört auch der Bereich "Verkehr" zu den von der Regelleistung abgedeckten Bedarfen.
6. Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 20 und § 23 SGB 2 (Anschluss an BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 3).
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 22. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Übernahme von Schülerbeförderungskosten für die Antragsteller (Ast.) durch den Antragsgegner (Ag.) für das Schuljahr 2006/2007 in Höhe von 253,00 € und für das Schuljahr 2007/2008 in Höhe von 932,25 €.
Die 1991, 1992, 1993, 1998 und 2000 geborenen Ast. sind die Kinder ihrer Prozessbevollmächtigten. Sie bilden gemeinsam mit deren Ehemann und dem 1995 geborenen Kind X eine Bedarfsgemeinschaft. Für das Schuljahr 2006/2007 bestanden zunächst beim Landkreis Niederschlesischer Oberlausitzkreis noch Schulden für Schülerbeförderungskosten für die Ast. zu 1) und 2) in Höhe von insgesamt 253,00 €. Für das Schuljahr 2007/2008 fallen Schülerbeförderungskosten für die Ast. in Höhe von insgesamt 932,25 € an.
Am 05.06.2006 beantragte die Mutter der Ast. beim Ag. die Übernahme der noch offenen Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2006/2007. Der Ag. lehnte dies mit Bescheid vom 06.12.2006 ab, weil die Beförderungskosten für Schüler im Regelsatz enthalten und einmalige Beihilfen nicht vorgesehen seien. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Mutter der Ast. vom 13.12.2006.
Am 14.09.2006 hat sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dresden (SG) gestellt. Sie hat die Verpflichtung des Ag. begehrt, die für das Schuljahr 2006/2007 bestehenden Schulden vorläufig zu übernehmen. Der Landkreis Niederschlesischer Oberlausitzkreis weigere sich ansonsten für sie für das neue Schuljahr 2007/2008 Fahrausweise auszustellen. Mit Schreiben vom 17.10.2007 hat sie den Antrag dahin erweitert, dass auch die Übernahme der Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2007/2008 als Zuschuss begehrt werde, da der Regelsatz nicht ausreiche, um den Eigenanteil an den Schülerbeförderungskosten zu decken. Die Familie besitze nur einen alten Pkw, mit dem die Kinder nicht alle in die Schule gebracht werden könnten. Derzeit hätten die Ast. zu 1), der Ast. zu 3) und das Kind X zwar Fahrscheine erhalten, weil diese jedoch nicht bezahlt werden könnten, sei nicht absehbar, wie lange diese genutzt werden könnten. Die Ast. zu 2) habe keine Fahrausweise erhalten und bettle daher täglich die Busfahrer an, um mit dem Schulbus mitfahren zu dürfen. Für die Ast. zu 4) und 5) sei eine Einigung über die ratenweise Erbringung des Eigenanteils erzielt worden.
Der Ag. hat den Widerspruch der Mutter der Ast. mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2007 zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 20.09.2007 hat der Ag. jedoch angeboten, den Eigenanteil für 2006/2007 im Wege eines Darlehens zu finanzieren. Die Mutter der Ast. hat dies abgelehnt. Der Ag. hat am 22.11.2007 auch ein Angebot für die darlehnsweise Übernahme der Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2007/2008 unterbreitet.
Das SG hat den Ag. mit Beschluss vom 22.10.2007 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Ast. vorläufig darlehensweise 899,25 € für Schülerbeförderungskosten zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Vorliegend habe d...