Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht. Anwendbarkeit auf nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte gem § 7 Abs 2 S 1 SGB 2. erlaubter Aufenthalt nach § 81 Abs 3 S 1 AufenthG 2004. Beantragung eines Aufenthaltstitels durch amerikanischen Staatsangehörigen bei rechtmäßigem Aufenthalt nach § 41 AufenthV
Leitsatz (amtlich)
1. Für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne von § 7 Abs 2 S 1 SGB II gelten die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs 1 S 2 SGB II über Leistungsausschlüsse nicht.
2. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Aufenthaltsrecht und Aufenthaltstitel.
3. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst a SGB II kommt es nicht auf die Erteilung des Aufenthaltstitels, sondern allein auf das Bestehen des Aufenthaltsrechts an.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 15. September 2017 aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig ab dem 1. September 2017 bis zur bestandskräftigen oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. August 2018, in Höhe von monatlich 419,58 EUR zu zahlen.
II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 15. September 2017, mit dem ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.
Die 1994 geborene Antragstellerin ist amerikanische Staatsangehörige. Sie reiste am 31. Januar 2017 visumfrei in die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel des dauerhaften Aufenthaltes ein und beantragte nach der Einreise bei der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt A... einen Aufenthaltstitel. Eine Entscheidung liegt noch nicht vor. Der Antragstellerin wurde am 7. März 2017 bis zur Entscheidung über ihren Antrag eine bis zum 5. September 2017 gültige Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG), die sie zum Aufenthalt, nicht hingegen zur Erwerbstätigkeit berechtigt, erteilt und bis zum 28. November 2017 verlängert.
Am 3. März 2017 heiratete sie den afghanischen Staatsbürger Y..., der mit Bescheid vom 6. November 2011 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar als Flüchtling anerkannt ist und seit dem Jahr 2016 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezieht. Y... hat einen bis zum 9. Dezember 2018 gültigen Aufenthaltstitel. Am 6. April 2017 wurde das gemeinsame Kind X... in Deutschland geboren. Ihm wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. August 2017 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
Der Ehemann der Antragstellerin hat ab dem 6. April 2017 einen Anspruch auf Elterngeld für das Kind X... in Höhe von 300,00 EUR. Dem vom Antragsgegner geltend gemachten Erstattungsanspruch vom 31. Mai 2017 hat die Landeshauptstadt A... (Jugendamt SG Elterngeld/Erziehungsgeld) mit Bescheid vom 26. Juli 2017 für die Zeit vom 6. April 2017 bis zum 31. Juli 2017 entsprochen. Der gestellte Kindergeldantrag ist noch nicht verbeschieden.
Die Familie lebte zunächst in einer Wohnung auf der W... Straße in A... (39 m²), für die sie eine Warmmiete in Höhe von 389,00 EUR zahlte. Sie zog zum 1. Juli 2017 in eine Wohnung (45,84 m²) auf der V...-Straße in A..., für die sie eine Warmmiete in Höhe von 449,63 EUR zahlt. Der Vermieter mahnte mit Schreiben vom 10. Oktober 2017 die rückständigen Zahlungen aus dem Mietverhältnis in Höhe von 454,62 EUR für September und Oktober 2017 an.
Am 23. März 2017 stellte die Antragstellerin gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Antrag auf Bewilligung von SGB II-Leistungen. Zugunsten des Ehemannes Y... bewilligte der Antragsgegner für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. August 2017 vorläufig Leistungen in Höhe von 562,50 EUR monatlich. Gegenüber der Antragstellerin wurde der Antrag mit Bescheid vom 29. März 2017 mit der Begründung abgelehnt, dass im Hinblick auf die fehlende Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit und eines Aufenthaltsrechtes, das lediglich auf einer Fiktionsbescheinigung beruhe, SGB II-Leistungen nicht bewilligt werden könnten. Allerdings käme ein Anspruch gegenüber dem Sozialamt in Betracht.
Die Antragstellerin legte zunächst keinen Widerspruch ein und beantragte am 11. April 2017 bei der Landeshauptstadt A... (Sozialamt) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Mit Bescheid vom 11. Mai 2017 lehnte die Landeshauptstadt A... den Antrag ab. Die Antragstellerin habe als Mitglied einer von Y... geführten Bedarfsgemeinschaft Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
In Ansehung dieser Ablehnung legte die Antragstellerin - nunmehr a...