Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufung. Bestimmung des Beschwerdegegenstandswerts. Krankenversicherung. Rechtsstreit über die Gewährung von Krankengeld. abhängig Beschäftigter. Bruttokrankengeld. kraft Gesetzes zulässige Berufung. fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung. Beschwerde über Nichtzulassung der Berufung. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
Für die Bestimmung des Beschwerdewerts iS von § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG ist bei einem abhängig Beschäftigten auf das begehrte Bruttokrankengeld abzustellen.
Orientierungssatz
Erweckt eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung den Anschein, dass die Berufung gegen das Urteil kraft Gesetzes ausgeschlossen sei und es bedürfe zu ihrer Statthaftigkeit einer besonderen Zulassung durch das Gericht, belastet dieser Rechtsschein denjenigen, der gegen das Urteil Berufung einlegen möchte. Deshalb ist ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer verbindlichen Entscheidung des angerufenen Gerichts über die Zulässigkeit eines bei ihm eingelegten Rechtsmittels anzuerkennen (so auch LSG Berlin-Potsdam vom 23.3.2023 - L 32 AS 505/22 NZB und LSG Stuttgart vom 15.2.2016 - L 9 AS 4693/15 NZB ; aA LSG München vom 20.5.2019 - L 8 AY 19/19 NZB ).
Tenor
I. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird festgestellt, dass gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 05. Januar 2023 kraft Gesetzes die Berufung statthaft ist. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Dresden vom 05.01.2023.
Streitgegenständlich in der Sache ist die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 12.07.2019 bis 31.07.2019, also für 19 Tage, in Höhe von insgesamt 789,64 € brutto (41,56 € brutto x 19 Tage) und 694,26 € netto (36,54 € x 19 Tage).
Die Beklagte zahlte an den Kläger ab dem Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs vom 17.03.2019 auf die vom Kläger lückenlos übersandten Arbeitsunfähigkeits- (AU-) Bescheinigungen fortlaufend Krankengeld. Die AU-Bescheinigung der Fachärztin für Chirurgie Dipl.-Med. Z.... vom 11.07.2019 mit Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bis zum 01.08.2019 ging am 01.08.2019 bei der Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 06.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2019 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld in der Zeit vom 12.07.2019 bis 31.07.2019 ab, da der Krankengeldanspruch des Klägers wegen der verspätet eingegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhe.
Die dagegen vom Kläger am 03.12.2019 beim SG Dresden erhobene Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 05.01.2023 (dem Kläger zugestellt am 09.01.2023) abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids hat das SG dem Kläger mitgeteilt, der Gerichtsbescheid könne nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom SG nicht zugelassen worden sei.
Am 06.02.2023 hat der Kläger beim Sächsischen Landessozialgericht Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt und beantragt sinngemäß, die Berufung gegen Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 05.01.2023 zuzulassen. Die Beklagte ist diesem Antrag nicht entgegengetreten.
Dem Gericht haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Auf diese wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheides des SG Dresden vom 05.01.2023 hat der Kläger frist- und formgerecht erhoben ( § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG ).
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch statthaft. Der Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des SG, dass die Berufung vom SG nicht zugelassen worden sei, kommt keine konstitutive Bedeutung zu(vgl.umgekehrt liegt allein in der (unzutreffenden) Belehrung über das Rechtsmittel der Berufung keine Zulassung durch das SG: BSG, Beschluss vom 29. Juni 2021 - B 14 AS 215/20 B -, juris) . Auch wenn daher der Kläger nicht gehindert war, die Berufung sogleich oder in der maßgeblichen Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG einzulegen, entfällt hierdurch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtzulassungsbeschwerde. Denn durch die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung hat das SG den Anschein erweckt(vgl. insoweit auch den Vermerk des SG vom 09.02.2023, Bl. 83 GA Rs), die Berufung gegen das Urteil sei kraft Gesetzes ausgeschlossen und es bedürfe zu ihrer Statthaftigkeit einer besonderen Zulassung durch das Gericht. Dieser Rechtsschein belastet denjenigen, der gegen ein Urteil Berufung einlegen möchte. Deshalb ist ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer verbindlichen Entscheidung des angerufenen Gerichts über die Zulässigkeit eines bei ihm eingelegten Rechtsmittels anzuerkennen(str.; ebenso: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2023 - L 32 ...