Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beschränkung der Berufung. kein Verfahrensfehler. Einholung eines ärztlichen Befundberichts. Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Mehrfacherkrankung an Hyperlipidämie, Hypertonie und Hyperurikämie. Vollkost. Mehrbedarf nur bei krankheitsbedingten Mehrkosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verfahrensmangel nach § 144 Abs 2 Nr 3 SGG liegt in einem Verfahren, in dem ua über die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gem § 21 Abs 5 SGB 2 gestritten wird, nicht vor, wenn ein Befundbericht, aus dem sich die Erkrankungen des Klägers (Hyperlipidämie, Hypertonie und Hyperurikämie) ergeben, eingeholt wurde. Für alle drei Erkrankungen ist nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1.10.2008 ebenso wie nach dem Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingt kostenaufwändiger Ernährung des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe regelmäßig eine Vollkost ausreichend und in der Regel ein krankheitsbedingt erhöhter Mehraufwand zu verneinen.

2. Aus der Kumulierung dieser Krankheiten kann nicht die Notwendigkeit einer Krankenkostzulage resultieren, weil alle drei Erkrankungen dieselbe Ernährungsart - Vollkost - erforderlich machen (LSG Essen vom 4.10.2010 - L 19 AS 1140/10 = NDV-RD 2011, 80).

3. Ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen der Größe des Klägers (1,90 m) besteht nicht, weil nach der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 12) lediglich für eine krankheitsbedingt erforderliche kostenaufwändige Ernährung gem § 21 Abs 5 SGG ein Mehrbedarf zu gewähren ist.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 09.06.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Zulassung der Berufung. In der Hauptsache ist unter anderem die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 31.05.2010 streitig.

Der Beklagte bewilligte dem 1956 geborenen Kläger, der an Hypertonie, Hyperurikämie und Hyperlipidämie leidet, und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft Lebenden mit Bescheid vom 04.05.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 30.06.2009 in Höhe von 609,86 € und für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis 30.11.2009 in Höhe von 609,71 €/Monat. Mit Bescheid vom 26.10.2009 in der Gestalt des Bescheids vom 02.12.2009 nahm der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 617,71 €/Monat für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis 31.12.2009 und in Höhe von 647,71 €/Monat für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.05.2010 vor. Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung gewährte er - anders als für frühere Bewilligungsabschnitte - nicht.

Gegen diese Bescheide richtete sich der Widerspruch des Klägers. Die bei ihm vorliegenden Erkrankungen erforderten, dass er hochwertige und frische Lebensmittel zu sich nehme. Schweinefleisch und fette Produkte sowie Konserven und Fertigprodukte mit Konservierungsstoffen seien zu meiden. Der Regelsatz reiche hierfür nicht aus. Zudem sei er 1,90 m groß und habe daher einen höheren Kalorienbedarf.

Im Widerspruchsverfahren forderte der Beklagte den Kläger auf, anhand eines ärztlichen Attests nachzuweisen, für welche Erkrankungen welcher Mehrbedarf bestehe. Der Kläger legte daraufhin das Attest der Allgemeinmedizinerin Dr. H… vom 03.07.2009. vor. Der Kläger leide unter Hypertonie, Hyperurikämie und Hyperlipidämie. Er benötige harnsäure-, fett- und salzarme Kost.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2009 zurück. Nach den neuesten Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 01.10.2008 seien im Gegensatz zu früher die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen mit einer Vollkost zu behandeln. Ein Bedürfnis eines Mehrbedarfs im Sinne des Gesetzes ergebe sich für diese Erkrankungen nicht. Bei Vollkost werde der Bedarf an essentiellen Nährstoffen gedeckt, sie berücksichtige in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf und sie sei in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst. Nach den dem Deutschen Verein vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen auf der Basis der Einkommens- und Verbraucherstichprobe sei der notwendige Aufwand für eine solche Ernährung mit dem Regelsatz gedeckt. Gemäß dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26.02.2009 - L 2 AS 152/07 - lasse sich weder nach den überarbeiteten “Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen„ noch dem “Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung der Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens Westfalen/Lippe„ eine krankheitsbedingte kostenaufwändigere Ernährung bei Hypertonie und Hyperlipidämie begründe...

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