Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Entziehungs- oder Versagungsbescheid nach § 66 SGB 1. aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. einstweiliger Rechtsschutz. Rechtsschutzart. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. einstweilige Anordnung. Kombination. deklaratorischer Beschluss
Leitsatz (amtlich)
1. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Entziehungs- oder Versagungsbescheid nach § 66 SGB 1 sind nicht von der Ausnahmereglung des § 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 1 SGB 2 erfasst. Sie haben nach der Grundregel des § 86a Abs 1 SGG aufschiebende Wirkung.
2. Wenn zwischen den Beteiligten zweifelhaft ist, ob die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches oder einer Anfechtungsklage eingetreten ist, kann in entsprechender Anwendung des § 86b Abs 1 SGG durch deklaratorischen Beschluss die aufschiebende Wirkung festgestellt werden.
3. Eine Kombination einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung und einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht (hier verneint).
4. Die Versagung einer Leistung einerseits und die Entziehung einer Leistung andererseits stellen zwei zu trennende Regelungsgegenstände in § 66 Abs 1 S 1 SGB 1 dar.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. August 2012 abgeändert.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren, das unter dem Aktenzeichen S 28 AS 3106/12 ER geführt worden ist, ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt D… v.. H…, S… S… , P…, als Bevollmächtigter beigeordnet.
Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.
Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 12. Dezember 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 in Höhe von 599,00 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 24. Mai 2012 entzog er ihm die Leistungen auf der Grundlage von § 66 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) für die Zeit ab 1. Juni 2012 ganz. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29. Mai 2012 Widerspruch ein.
Bereits am 18. Mai 2012 hatte der Antragsteller einen Fortzahlungsantrag gestellt. Nach Aktenlage entschied der Antragsgegner hierüber bis zum 30. August 2012 nicht.
Am 15. Juni 2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht unter dem Az. S 28 AS 2442/12 ER beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II ab Juni 2012 bis zum Ende des laufenden Bewilligungszeitraumes auszuzahlen. Ferner hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Mai 2012 aufschiebende Wirkung habe. Auf die Anfrage des Sozialgerichtes, ob im Hinblick auf den zwischenzeitlich erlassenen Widerspruchsbescheid die Anträge zurückgenommen würden, hat der Antragsteller unter dem 13. Juli 2012 mehrere Schriftsätze verfasst. Mit einem Schriftsatz hat er Klage gegen den Bescheid vom 29. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2012 erhoben. In einem zweiten Schriftsatz, in dem das Az. S 28 AS 2442/12 ER angegeben ist, hat er beantragt festzustellen, dass die Klage vom 13. Juli 2012 aufschiebende Wirkung entfalte. Mit einem dritten Schriftsatz hat er beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II ab Eingang des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz zu bewilligen und an ihn auszuzahlen. Den letzten Antrag hat das Sozialgericht unter dem Az. S 28 AS 3106/12 ER geführt.
Das Sozialgericht hat im Verfahren Az. S 28 AS 2442/12 ER den Antragsgegner mit Beschluss vom 30. August 2012 verpflichtet, dem Antragsteller ab 1. Juni 2012 vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen und auszuzahlen. Es hat die Auffassung ver-treten, dass der Antrag dahingehend auszulegen gewesen sei, dass auch Leistungen über Juni 2012 hinaus begehrt würden.
Im Verfahren Az. S 28 AS 3106/12 ER hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 30. August 2012 den Antrag wegen doppelter Rechtshängigkeit abgelehnt. Ferner hat es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Der Antragsteller hat am 21. September 2012 Beschwerde gegen den Beschluss vom 30. August 2012 (Az. S 28 AS 3106/12 ER) eingelegt. Er wendet sich gegen die Auffassung des Sozialgerichtes zur doppelten Rechtshängigkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Instanzen, die Gerichtsakte des Sozialgerichtes Chemnitz zum Verfahren Az. S 28 AS 2442/12 ER sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Über die Beschwerde kann auch noch nach Abschluss des Ha...