Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entscheidung über Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in der für das Beschlussverfahren vorgesehenen Regelbesetzung. Fortsetzung eines durch Beschluss abgeschlossenen Verfahrens. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. fehlendes Rechtsschutzbedürfnis. Wiederaufnahmegrund. Vorwurf des Prozessbetrugs
Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat entscheidet über den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens in der für das Beschlussverfahren vorgesehenen Regelbesetzung mit drei Berufsrichtern. Das im Ausgangsverfahren von den Beteiligten erklärte Einverständnis mit der Entscheidung durch den Einzelrichter wirkt im Wiederaufnahmeverfahren, das ein neues Verfahren darstellt, nicht fort.
2. Auch Beschlüsse sind einer Wiederaufnahme nach § 179 SGG zugänglich, soweit sie rechtskräftig oder nicht anfechtbar sind, und soweit sie auf einer Sachentscheidung beruhen, die eine Instanz abschließt (Anschluss an BSG vom 23.3.1965 - 11 RA 304/64 = BSGE 23, 30 = SozR Nr 1 zu § 579 ZPO).
3. Für die Wiederaufnahme eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt regelmäßig bereits das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn sobald veränderte Umstände vorliegen, hat der Antragsteller jederzeit die Möglichkeit, erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen, ohne dass es eines Wiederaufnahmeverfahrens bedarf.
Orientierungssatz
Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 179 Abs 2 SGG ist eine strafgerichtliche Verurteilung des Beteiligten wegen wissentlich falscher Behauptung einer Tatsache erforderlich. Die Unmöglichkeit strafgerichtlicher Verfolgung aus anderen Gründen als aus Mangel an Beweisen genügt nicht (vgl BSG vom 10.9.1997 - 9 RV 2/96 = BSGE 81, 46 = SozR 3-1500 § 179 Nr 1).
Normenkette
SGG § 179 Abs. 1-2, § 33 Abs. 1 Sätze 1-2, § 12 Abs. 1 S. 2, § 86b Abs. 1-2; ZPO § 580 Nr. 4, § 581 Abs. 1 HS 2
Tenor
I. Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens L 3 B 758/08 AS-ER wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
In dem Beschwerdeverfahren Az. L 3 B 758/08 AS-ER haben die Beteiligten, nachdem das Begehren des Antragstellers erstinstanzlich erfolglos geblieben war, darüber gestritten, ob die Arbeitsgemeinschaft Z berechtigt gewesen ist, Geschäftspartner des als Musiker tätigen und zugleich Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) beziehenden Antragstellers um Auskunft über Geschäftsverbindungen zu ersuchen.
Mit Beschluss vom 27. April 2009 hat der Senat durch die konsentierte Einzelrichterin (vgl. § 155 Abs. 3, 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) die Beschwerde zurückgewiesen. Dem Antragsteller stehe der geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Verpflichtung der Arbeitsgemeinschaft, die Auskunftsersuchen zu unterlassen, nicht zu. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Die Arbeitsgemeinschaft habe mehrfach ausgeführt, die letzten Auskunftsersuchen seien im September 2008 erfolgt. Dem sei der Antragsteller nicht schlüssig entgegengetreten. Seine Beanstandungen bezögen sich auf in der Vergangenheit durchgeführte Ermittlungen.
Am 25. Oktober 2012 hat der Antragsteller unter Bezugnahme auf § 179 SGG die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Es liege “zweifelsohne Prozessbetrug„ vor. In dem vorangegangenen Rechtsstreit sei dem Gericht “eine manipulierte Akte mit zum Teil falschen Akteninhalt„ vorgelegt worden.
II.
1. Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens Az. L 3 B 758/08 AS-ER ist unzulässig und daher zu verwerfen.
a) Der Senat entscheidet in der für das Beschlussverfahren vorgesehenen Regelbesetzung mit drei Berufsrichtern (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das im Ausgangsverfahren von den Beteiligten erklärte Einverständnis mit der Entscheidung durch den Einzelrichter wirkt im Wiederaufnahmeverfahren, das ein neues Verfahren darstellt, nicht fort (vgl. BFH, Urteil vom 2. Dezember 1998 - X R 15-16/97, X R 15/97, X R 16/97 - BFHE 188, 1 = NJW 1999, 2391 = JURIS-Dokument Rdnr. 14).
b) Nach § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO), das heißt den §§ 578 bis 591 ZPO, wieder aufgenommen werden. Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) und durch Restitutionsklage (§ 580 ZPO) erfolgen. § 179 Abs. 1 SGG beschränkt seinem Wortlaut nach die Wiederaufnahme nicht auf ein “durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenes Verfahren„ (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1965 - 11 RA 304/64 - BSGE 23, 30 [31] = JURIS-Dokument Rdnr. 6). Damit sind auch Beschlüsse einer Wiederaufnahme zugänglich, soweit sie rechtskräftig oder nicht anfechtbar sind, und soweit sie auf einer Sachentscheidung beruhen, die eine Instanz abschließen (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1965,...