Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Prozesskostenhilfe in der mündlichen Verhandlung

 

Orientierungssatz

Auch auf einen erst bei Beginn der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag hin kann Prozesskostenhilfe gewährt werden, wenn dem Antrag eine ordnungsgemäße Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die erforderlichen Belege beiliegen (§ 117 Abs 2 S 1 ZPO). Fehlen die Belege, obwohl deren Vorlage möglich und zumutbar ist, muss der PKH-Antrag jedoch abgelehnt werden.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers vom 06.12.2004 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 02.11.2004 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe.

In der Hauptsache streiten die Beteiligten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, wobei das erstinstanzliche Verfahren inzwischen durch Urteil vom 28.10.2004 abgeschlossen und nunmehr das Berufungsverfahren unter dem Az. L 6 KN 134/04 beim erkennenden Senat geführt wird.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte sich in erster Instanz nach der am 18.09.2004 erfolgten Terminsladung des bis dahin nicht vertretenen Klägers unter dem 07.10.2004 bestellt und nach vorheriger Einsicht in die Verfahrensakten am Beginn der mündlichen Verhandlung am 28.10.2004 von einem dort in Untervollmacht erschienenen Rechtsreferendar einen Antrag, dem Kläger Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu gewähren, zu den Akten reichen lassen.

Dem Antrag war neben einer Begründung, wonach der Kläger nicht in der Lage sei, die Kosten des Verfahrens aus eigenen Mitteln zu bestreiten, ein vom Kläger ausgefülltes und unterzeichnetes Formular über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse beigefügt (Blatt 3 der erstinstanzlichen PKH-Akte). Belege zu den Angaben in diesem Formular wurden nicht vorgelegt.

Nach Anhörung des Beklagten zum gestellten Prozesskostenhilfeantrag noch in der mündlichen Verhandlung lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 02.11.2004 ab, weil aus den Gründen des Hauptsacheurteils keine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage bestehe und der Antrag ohnehin unzulässig sei, weil er erst in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt worden sei, was in diesem Sinne sowohl das OLG Bamberg (JurBüro 1996, 254) als auch das OLG Karlsruhe (FamRZ 1996, 1287) entschieden habe.

Mit der - nach Zustellung dieses Beschlusses am 04.11.2004 - beim Sozialgericht Chemnitz am Montag, dem 06.12.2004, eingelegten Beschwerde macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe rechtzeitig vor Abschluss der Instanz gestellt worden sei. Die vom Sozialgericht zitierten Entscheidungen seien nicht einschlägig, da sie Prozesskostenhilfeanträge betreffen, die erst nach Abschluss der Instanz oder jedenfalls erst am Ende der mündlichen Verhandlung, nicht jedoch wie hier bei Beginn der mündlichen Verhandlung gestellt worden seien. Auch könne sich das Sozialgericht nicht auf die fehlenden Erfolgsaussichten berufen, weil insoweit keine Erfolgsgewissheit erforderlich sei, sondern nur eine schlüssige Darlegung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, was der Kläger in seiner Klagebegründung vom 16.08.2004 getan habe.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 73a, 172 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) statthafte sowie gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Anspruch des Klägers auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 73a SGG i.V.m. den §§ 114 ff. ZPO zu Recht abgelehnt.

Zwar kann entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ein erst bei Beginn der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht allein aus diesem Grund als verspätet abgelehnt werden. Denn es ist durchaus denkbar, dass sich ein mittelloser Kläger erst für die mündliche Verhandlung einen Rechtsanwalt nimmt. Genauso erscheint es möglich, dass erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung Mittellosigkeit eintritt oder sich diese erst dann herausstellt, so dass der Kläger zur Fortsetzung des Mandatsverhältnisses mit seinem bisherigen Prozessbevollmächtigten, insbesondere für dessen Auftreten in der mündlichen Verhandlung, der Prozesskostenhilfe bedürfen könnte.

Daran ändert nichts, dass kostenauslösende Handlungen, die der Anwalt im Rahmen des Mandats vorgenommen hat und die vor dem Zeitpunkt der Beiordnung liegen, im Rahmen der PKH-Kostenfestsetzung nicht ansetzbar sind (SächsLSG v. 08.02.2000, Az: L 1 B 79/99 RJ-KO, NZS 2001, Seiten 165 ff.), so dass dem Prozesskostenhilfeantrag das Rechtsschutz- bzw. Bewilligungsbedürfnis fehlen kann, wenn deshalb nach Beiordnung keine Kosten mehr von der Staatskasse im Wege der Prozesskostenhilfe zu übernehmen wären. Dies betrifft jedoch bei einem Prozesskostenhilfeantrag am Beginn der mündlichen Verhandlung ...

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