Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Untätigkeitsklage. Verfahrensgebühr. Nichtanwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV bei vorangegangener Tätigkeit im Verwaltungs- oder Vorverfahren. Bemessung. fiktive Terminsgebühr. Bescheiderlass

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch sofern der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungs- oder Vorverfahren tätig war, ist bei Untätigkeitsklagen die Verfahrensgebühr nach Nr 3102 VV RVG (juris: RVG-VV) festzusetzen. Nr 3103 VV RVG ist nicht einschlägig, da über die zeitliche Nachfolge des weiteren Verfahrens hinausgehend keine Identität der Streitgegenstände besteht.

2. Für den typischen Fall einer sozialgerichtlichen Untätigkeitsklage ohne weitere Besonderheiten ist regelmäßig eine Verfahrensgebühr in Höhe eines Drittels der Mittelgebühr nach Nr 3102 VV RVG angemessen.

3. Der bloße Erlass des begehrten Bescheides löst keine fiktive Terminsgebühr wegen angenommenen Anerkenntnisses nach Nr 3106 S 2 Nr 3 VV RVG aus.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 27. September 2012 wird zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) in einer Untätigkeitsklage beigeordneten Rechtsanwalts.

Der Kläger führte vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) vertreten durch den Beschwerdeführer die Untätigkeitsklage S 17 AS 3955/10 (Klageeingang: 11.10.2010), da über den Widerspruch des Klägers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 07.06.2010, mit dem Leistungen in Höhe von 38,08 € zurückgefordert wurden, nicht innerhalb dreier Monate entschieden worden war. Bereits in diesem Widerspruchsverfahren wurde der Kläger durch den Beschwerdeführer vertreten.

Am 10.11.2010 übersandte der Beklagte dem Gericht den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 21.10.2010 in Kopie und teilte mit, dass sich der Rechtsstreit damit erledigt haben dürfte. Mit Schreiben vom 19.11.2010 erklärte der Beschwerdeführer die Annahme eines Anerkenntnisses in der Hauptsache und erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Mit Schriftsatz vom 01.12.2010 teilte der Beschwerdeführer mit, dass die ARGE L… Leistungen rückwirkend anerkannt habe und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache wiederum für erledigt. Mit Beschluss vom 10.12.2010 hat das SG dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt. Am 13.12.2010 hat der Beklagte ein Kostengrundanerkenntnis abgegeben, das der Kläger am 03.01.2011 angenommen hat.

Am 14.01.2011 hat der Beschwerdeführer beantragt, seine aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)

160,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

200,00 €

Entgelte für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 72,20 €

Erstattungsbetrag

452,20 €

Vorschüsse und sonstige Zahlungen (§ 58 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [RVG]) habe er nicht erhalten. Mit Beschluss vom 07.03.2012 hat die Urkundsbeamtin des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)

 83,33 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

 16,67 €

Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 19,00 €

Gesamtsumme

119,00 €

Die Untätigkeitsklage diene lediglich der Erzwingung des Fortgangs des Verfahrens. Von anwaltlicher Seite seien lediglich die Fristen zu überwachen, die für den Fristablauf erheblichen Daten mitzuteilen und ggf. die Erledigung der Hauptsache anzuzeigen. Die materielle Rechtslage sei nicht zu prüfen, sodass eine Verfahrensgebühr in Höhe eines Drittels der Mittelgebühr angemessen sei. Eine fiktive Terminsgebühr sei nicht entstanden, da das Verfahren nicht durch angenommenes Anerkenntnis geendet habe. Bei einer Untätigkeitsklage trete Erledigung durch den Erlass des begehrten Bescheides und der darauffolgenden Abgabe einer Erledigungserklärung ein.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Beschwerdeführers vom 13.04.2012 hat das SG mit Beschluss vom 27.09.2012 unter Verweis auf die Gründe des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses zurückgewiesen und die Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) zugelassen.

Gegen den ihm am 12.10.2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 25.10.2012 Beschwerde erhoben. Es bestehe nach einer Entscheidung des SG Nürnberg ein Anspruch auf Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von mindestens 125,00 €. Zudem sei eine fiktive Terminsgebühr entstanden. Der Beklagte habe mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2010 ein Anerkenntnis abgegeben. Der überwiegenden Auffassung, dass der bloße Erlass des begehrten Verwaltungsaktes kein Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG darstelle, werde nicht gefolgt. Das Hessische LSG sowie eine Reihe von Sozialgerichten hätten ebenfalls entschieden, dass eine Untätig...

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