Entscheidungsstichwort (Thema)
Angelegenheiten nach dem SGB II. Zulassung der Berufung. Nichtvorliegen grundsätzlicher Bedeutung. Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Schlüssigkeit des Konzeptes des Grundsicherungsträgers. Klärungsbedürftige Rechtsfrage. Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift des kommunalen Trägers. Rückwirkung. Divergenz. Verfahrensmangel
Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob eine bestimmte Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift eines kommunalen Trägers, in der Angemessenheitsgrenzen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II festgelegt werden, den gesetzlichen und vom Bundessozialgericht ausgeformten Anforderungen genügt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 S. 1; WoGG § 12; SGG § 144 Abs. 2
Tenor
I. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. August 2013 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. August 2013.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 17. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis zum 31. Oktober 2013. Von den tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 351,00 EUR anerkannte der Beklagte nur einen Betrag in Höhe von 322,00 EUR. Nach der Verwaltungsvorschrift des kommunalen Trägers sei nur eine Grundmiete in Höhe von 214,00 EUR angemessen, nicht aber die vom Kläger tatsächlich zu zahlende in Höhe von 243,00 EUR.
Auf die Klage des Klägers hat das Sozialgericht den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2013 verurteilt, dem Kläger für die streitbefangene Bewilligungsperiode "in tatsächlicher Höhe bis zur Erreichung einer Grenze der um 10 % erhöhten Werte der Mietstufe 2 zu bewilligen und zu übernehmen."
Der Beklagte hat gegen das ihm am 9. August 2013 zugestellte Urteil am 9. September 2013 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Es sei eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren anhängig. Die Frage der schlüssigen Ermittlung einer angemessenen Nettokaltmiete im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und die Frage der rückwirkenden Anwendung der Verwaltungsrichtlinie seien bislang nicht entschieden.
Der Beklagte beantragt.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. August 2013 zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er nehme für sich in Anspruch, dass das Sozialgericht Chemnitz die aktuelle Richtlinie des kommunalen Trägers mit den Mietobergrenzen verworfen habe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde gemäß § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. August 2013 ist zulässig; insbesondere statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Vorliegend ist ein monatlicher Differenzbetrag in Höhe von 29,00 EUR streitig, der sich aus einer Gegenüberstellung der tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung und den vom Beklagten anerkannten Aufwendungen ergibt. Bezogen auf den streitbefangenen sechsmonatigen Zeitraum errechnet sich ein Wert des Beschwerdegegenstandes in Höhe von 174,00 EUR.
Ein höherer Wert ergibt sich nicht aus der missverständlichen Bezugnahme auf die Mietstufen nach dem Wohngeldgesetz im Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheides. Denn streitig war stets nur die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Diese lagen aber, wie das Sozialgericht selbst in den Entscheidungsgründen ausführte, unterhalb der Werte nach dem Wohngeldgesetz.
Da die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffen würde (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), verbleibt es bei der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Das Sozialgericht hatte über die Zulassung des Rechtsmittels zu befinden. Es hat die Berufung nicht zugelassen.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nummer 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweic...