Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassung der Berufung. fehlende grundsätzliche Bedeutung. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. Anwendung einer Verwaltungsrichtlinie im Einzelfall. Rückwirkung. Wert des Beschwerdegegenstandes. Divergenz. Verfahrensmangel
Leitsatz (amtlich)
1. Allein der Umstand, dass die vom kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen auf einem schlüssigen Konzept beruhen, ändert nichts daran, dass Bezugspunkt der als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage eine bestimmte Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift ist und es somit um die Anwendung von Rechtsvorschriften im Einzelfall geht. Dies gilt selbst dann, wenn diese Frage für eine Vielzahl von Verfahren mit einer Vielzahl von leistungsberechtigten Personen von Bedeutung ist.
2. Bei der rückwirkenden Anwendung einer Verwaltungsrichtlinie ist zu berücksichtigen, dass das Konzept des Grundsicherungsträgers bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen muss (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R = juris RdNr 21 und - B 14 AS 65/09 R = juris RdNr 28).
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 S. 1; WoGG § 12; SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2
Tenor
I. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten an die Kläger zu zahlenden Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011.
Mit Bescheid vom 25.03.2011 bewilligte der Beklagte der 1960 geborenen Klägerin zu 1. und ihrem 1986 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2., Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 01.01.2011 bis 30.06.2011 i.H.v. 1.043,00 € monatlich. Dabei erkannte er Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. monatlich insgesamt 388,00 € an.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2011 (W 2446/11) zurück. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die Kläger könnten monatliche tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 504,50 € geltend machen (Grundmiete 293,26 €, Heizkosten 105,62 € und Nebenkosten 105,62 €). Sie bildeten eine Bedarfsgemeinschaft und würden eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 63,73 qm bewohnen. Nach der geltenden Verwaltungsvorschrift des Landkreises Zwickau liege die angemessene Wohnfläche für einen Zwei-Personen-Haushalt bei 60 qm. Nach der Verwaltungsvorschrift seien auch die Heizkosten auf einen Betrag von 1,20 €/qm festgeschrieben und die Nebenkosten dürften einen Betrag von 1,10 €/qm nicht überschreiten. Folglich ergebe sich eine maximal zu bewilligende Warmmiete für die Kläger i.H.v. 388,00 € (angemessene Kaltmiete 250,00 €, Heizkosten 72,00 € und Nebenkosten 66,00 €). Die Klägerin zu 1. sei auch mit Schreiben vom 27.06.2006 über die unangemessenen Wohnraumkosten in Kenntnis gesetzt worden.
Hiergegen erhoben die Kläger am 11.08.2011 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage. In der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2012 erkannte der Beklagte für den streitigen Zeitraum Heizkosten i.H.v. monatlich 105,62 € und kalte Betriebskosten i.H.v. 105,62 monatlich an. Dieses Teilanerkenntnis haben die Kläger angenommen.
Das SG hat mit Urteil vom 17.10.2012 den Beklagten unter teilweiser Aufhebung seiner insoweit entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Unterkunft in gesetzlicher Höhe unter Zugrundelegung der Wohngeldverwaltungsvorschrift (Höchstwert für ein 2-Personen-Haushalt der Wohngeldtabelle - Mietstufe II plus 10 Prozent) zu bewilligen. Die Berufung gegen das Urteil hat das SG nicht zugelassen.
Gegen dass dem Beklagten am 16.11.2012 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 28.11.2012, eingegangen beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) am 30.11.2012, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren sei rechtshängig und nicht entschieden. Die Frage der schlüssigen Ermittlung einer angemessenen Netto-Kaltmiete im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und die Frage der rückwirkenden Anwendung der Verwaltungsrichtlinie des Beklagten seien bislang nicht entschieden und stünden hierdurch zur richterlichen Überprüfung an.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17.10.2012 zuzulassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortzuführen.
Die Kläger beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, es handle sich um eine Einzelfallentscheidung, welche lediglich die klägerische Be...