Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfeantrag. Erfolgsaussicht eines Berufungsverfahrens. Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktionsbescheid in Höhe des vollen Regelbedarfs bei unter 25-Jähriger. Verfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Eine Berufung, mit der sich eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gegen einen Sanktionsbescheid wendet, hat im Hinblick auf die Frage, ob die Sanktionierung in Höhe des vollen Regelbedarfs nach § 31a iVm § 31 und § 31b SGB 2 mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hinreichende Aussicht auf Erfolg im prozesskostenhilferechtlichen Sinne.
Tenor
Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B… beigeordnet.
Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.
Gründe
Der Klägerin ist ab Antragstellung Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu bewilligen, weil sie die Kosten des Verfahrens nicht aufbringen kann (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] i. V. m. § 114 des Zivilprozessordnung [ZPO]). Dies ergibt sich glaubhaft aus der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Die für die Bewilligung gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben. Die am 1990 geborene Klägerin wendet sich gegen den Sanktionsbescheid vom 17. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2015, durch den der Beklagte die Leistungen der Klägerin nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 31a Abs. 2, § 31b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2015 bis zum 31. Mai 2015 auf die für die Bedarfe nach § 22 SGB II zu erbringenden Leistungen beschränkt hat. Ob die Sanktionierung in Höhe des vollen Regelbedarfs nach § 31a i. V. m. § 31 und § 31b SGB II mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und mit Art. 12 GG vereinbar ist, ist Gegenstand des beim Bundesverfassungsgerichts unter dem Aktenzeichen 1 BvR 7/16 anhängigen Verfahrens. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht, ohne eine Entscheidung in Sache zu treffen, bereits mit Beschluss vom 6. Mai 2016 (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2016 - BvL 7/15 - juris Rdnr. 16) ausgeführt, dass die Sanktionierung in Höhe des vollen Regelbedarfs"durchaus gewichtige verfassungsrechtlicher Fragen" aufwirft.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (vgl. §§ 177, 183 SGG).
Fundstellen
Dokument-Index HI10700333 |