Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Beiordnung einer Rechtsanwaltssozietät bzw Rechtsanwaltsgesellschaft. Begriff des Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
1. Der in § 121 Abs 2 ZPO verwandte Begriff des Rechtsanwaltes wird in der Bundesrechtsanwaltsordnung beschrieben.
2. Auf der Grundlage von § 121 Abs 2 ZPO kann nur ein Rechtsanwalt, nicht aber eine Rechtsanwaltsgesellschaft, eine Partnerschaftsgesellschaft oder eine Rechtsanwaltssozietät beigeordnet werden.
Orientierungssatz
1. Die Regelungen in § 59l S 1 und 2 BRAO beziehen sich nach der Gesetzesbegründung ausschließlich auf die Regelungen über die Postulationsfähigkeit. In § 59l S 1 BRAO ist die Beauftragung angesprochen. Nur für diese (“dabei„) werden Rechtsanwaltsgesellschaften hinsichtlich der Rechte und Pflichten einem Rechtsanwalt gleichgestellt.
2. Die Neuregelung in § 7 Abs 4 S 2 PartGG idF vom 19.12.2000 macht noch stärker als die Regelung in § 59l S 2 BRAO deutlich, dass der Gesetzgeber ausschließlich die Schaffung von Regelungen zur Postulationsfähigkeit von Rechtsanwaltsgesellschaft und Partnerschaftsgesellschaft beabsichtigte.
3. Soweit inzwischen in verschiedenen Gerichtsentscheidungen und in Teilen der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten wird, auch Rechtsanwaltssozietäten könnten im Rahmen einer Prozesskostenhilfebewilligung beigeordnet werden, vermag der Senat diese Rechtsauffassung wegen der soeben beschriebenen Rechtsgrundlage nicht zu teilen.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die zulässige Beschwerde, mit der begehrt wird, den Prozesskostenhilfebeschluss dahingehend abzuändern, dass an Stelle des sachbearbeitenden Rechtsanwaltes die Rechtsanwaltssozietät beigeordnet wird, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Beiordnung der Rechtsanwaltssozietät im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen, weil die Kläger keinen Anspruch auf Beiordnung einer Rechtsanwaltssozietät haben.
In Verfahren vor den Sozialgerichten gelten gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Gemäß § 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) wird der Partei, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
Der in § 121 Abs. 2 ZPO verwandte Begriff des Rechtsanwaltes wird in der Bundesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: BRAO) beschrieben. Ein Rechtsanwalt ist gemäß § 1 BRAO unabhängiges Organ der Rechtspflege. Er übt einen freien Beruf aus (vgl. § 2 Abs. 1 BRAO). Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft setzt gemäß § 4 Satz 1 BRAO voraus, dass der Betreffende die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt hat oder die Eingliederungsvoraussetzungen nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl. I S. 182) erfüllt oder die Eignungsprüfung nach diesem Gesetz bestanden hat. Die Regelungen über die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (vgl. § 7 BRAO), die Aussetzung des Zulassungsverfahrens (vgl. § 10 BRAO), die Zulassung (vgl. § 12 BRAO) und die Ver-eidigung (vgl. § 12a BRAO) stellen auf den “Bewerber„ oder die “Bewerberin„ ab. Wenn der Bewerber oder später der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vor-übergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwaltes ordnungsgemäß auszuüben, ist gemäß § 7 Nr. 7 BRAO die Zulassung zu versagen und nach Maßgabe von § 14 Abs. 2 Nr. 2 BRAO die Zulassung zu widerrufen. Aus diesen Regelungen folgt, dass unter dem Begriff des Rechtsanwaltes eine natürliche Person und nicht eine juristische Person oder eine Personenmehrheit verstanden wird. Dies wird auch aus der Regelung über die Berufsbezeichnung in § 12 Abs. 4 BRAO deutlich. Danach darf nach der Zulassung die Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung “Rechtsanwältin„ oder “Rechtsanwalt„ ausgeübt werden.
Für das Prozesskostenhilferecht bedeutet dies, dass nur ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin im Sinne des § 12 Abs. 4 BRAO beigeordnet werden kann. Die insoweit einschlägige, derzeit geltende Regelung in § 121 Abs. 2 ZPO wurde mit Artikel 1 Nr. 4 des Gesetzes über die Prozesskostenhilfe vom 13. Juni 1980 (BGBl. I S. 677) als § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingeführt. Sie geht auf die bereits unter dem früheren Armenrecht bis zum 31. Dezember 1980 geltende Regelung in § 116 Abs. 1 ZPO zurück, wo im Zusammenhang mit der Beiordnung ebenfalls auf den “Rechtsanwalt„ abgestellt wurde. Trotz zahl-reicher Änderungen im Rechts der Prozesskostenhilfe blieb diese Regelung, soweit es für die Beiordnung die Beschränkung auf einen Rechtsanwalt enthält, unverändert.
Hieran hat sich auch durch die ...