Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten. Angemessenheitsmaßstab
Leitsatz (amtlich)
1. Der kommunale Leistungsträger ua für die Gewährung von Unterkunfts- und Heizkosten nach dem SGB 2 (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2) darf mittels eines Stadtratsbeschlusses die angemessenen Leistungen für die Unterkunft (außer Heizkosten) gleichermaßen für Empfänger von Arbeitslosengeld II und von Sozialhilfe für seinen örtlichen Bereich festlegen, solange gesichert ist, dass höhere Kosten als die darin festgelegten Höchstbeträge nicht mehr angemessen iS der jeweiligen Anspruchsnorm (hier § 22 SGB 2) sind.
2. Die im Einzelfall angemessenen Unterkunftskosten sind das Produkt aus einem - abstrakt nach den örtlichen Gegebenheiten zu ermittelnden - angemessenen Mietzins pro Quadratmeter und einer für den Hilfesuchenden abstrakt angemessenen Wohnungsgröße (sog Produkttheorie).
3. Der angemessene Mietzins pro Quadratmeter (Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Nebenkosten) bestimmt sich - soweit jeweils vorhanden - nach dem örtlichen Miet- und Betriebskostenspiegel, während sich die angemessene Wohnfläche und Raumzahl nach den Wohnungsgrößen im sozialen Wohnungsbau richtet, in Sachsen mangels aktuell gültiger Regelung deshalb noch nach der bereits außer Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Innenministeriums zum Sächsischen Belegungsrechtsgesetz (VwV-SächsBelG) vom 22.4.1996 (SächsABl Seite 478), dort Punkt 5.12.
4. Heizkosten sind grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu übernehmen und nur dann unangemessen hoch, wenn der Hilfesuchende ein für die konkrete Wohnung unwirtschaftliches Heizverhalten zeigt. Abstrakte Obergrenzen für angemessene Heizkosten lassen sich deshalb nicht in einem Stadtratsbeschluss festlegen.
5. Solange das Heizverhalten nicht nachweislich unwirtschaftlich ist, sind die Heizkosten selbst dann in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, wenn die Wohnung unangemessen groß oder teuer ist. Eine Kürzung der Heizkosten im Verhältnis der angemessenen zur unangemessenen Wohnfläche oder der angemessenen zur unangemessenen Bruttokaltmiete scheidet aus (entgegen LSG Darmstadt, Beschluss vom 21.3.2006 - L 9 AS 124/05 ER).
Orientierungssatz
§ 22 Abs 1 S 2 SGB 2 in der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung bezieht sich ausschließlich auf die Unterkunftskosten und nicht auf die Heizkosten. Für unangemessen hohe Heizkosten gilt daher die Übergangsfrist nicht.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 07.04.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird ratenfrei Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ab Antragstellung unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer und Antragsteller (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Beschwerde- und Antragsgegnerin (Bg.), ihm vorläufig ab 01.04.2006 höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zu gewähren, indem seine Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher, statt in der von der Bg. als angemessen angesehenen Höhe als Bedarf berücksichtigt werden.
Außerdem begehrt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten.
Der derzeit 48 Jahre alte, ledige, kinderlose sowie einkommens- und vermögenslose, aber erwerbsfähige Bf. bewohnt seit 1999 allein eine seit 1998 bezugsfertige 2-Raum-Wohnung zuzüglich Bad mit einer Wohnfläche von insgesamt 48,01 m², für die er eine Nettokaltmiete in Höhe von 245,42 € monatlich zu zahlen hat. Bis 31.12.2005 betrug die Nebenkostenvorauszahlung für diese Wohnung 30,00 € monatlich (Wasserverbrauchsumlage, Kanalgebühren, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Schornsteinfeger, Gartenpflege) sowie die Vorauszahlung für Heizung und Warmwasseraufbereitung 100,00 € monatlich, die Gesamtmiete mithin 375,42 € monatlich.
Auf dieser Grundlage bezog der Bf. im Jahre 2005 Alg II in Höhe von 698,24 € monatlich (= Regelsatz von 331,00 € zuzüglich Unterkunfts- und Heizkosten von 375,42 €, vermindert um eine Warmwasserpauschale von 8,18 €).
Am 24.10.2005 forderte die Bg. den Bf. schriftlich auf, die unangemessen hohen Kosten für Unterkunft und Heizung bis 31.03.2006 durch Verhandlungen mit dem Vermieter, durch Untervermietung oder durch Umzug zu senken. Gemäß dem Stadtratsbeschluss der Landeshauptstadt Dresden vom 24.02.2005 (Beschluss-Nr. V0382-SR09-05) sei für einen 1-Personen-Haushalt nur eine Bruttokaltmiete (inklusive der kalten Nebenkosten) von 252,45 € zuzüglich Heizkosten von 46,80 €, mithin eine Gesamtmiete von 299,25 € monatlich, angemessen.
Dagegen wandte der Kläger am 09.11.2005 unter Vorlage eines Querschnitts seiner Wohnung im Mietwohnhaus ein, dass nach dem Stadtratsbeschluss nur seine Heizkosten zu hoch seie...