Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Anwendbarkeit des § 929 Abs 2 ZPO. Vollstreckungstitel. Abgrenzung des § 91 SGB 12 von § 86b Abs 2 S 4 SGG iVm § 938 Abs 1 ZPO. Wahrung der Monatsfrist in § 929 Abs 2 ZPO. rechtsmissbräuchliches Verhalten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 929 Abs 2 ZPO findet auf Grund der eindeutigen Verweisungsregelung in § 86b Abs 2 S 4 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung.
2. Die Anwendung der Regelung über die Vollziehungsfrist in § 86b Abs 2 S 4 SGG iVm § 929 Abs 2 ZPO setzt voraus, dass der Vollstreckungstitel einen vollstreckbaren Inhalt hat.
3. Zur Abgrenzung einer darlehensweisen Leistungserbringung nach § 91 SGB 12 einerseits und § 86b Abs 2 S 4 SGG iVm § 938 Abs 1 ZPO andererseits.
4. Für die Wahrung der Monatsfrist in § 929 Abs 2 ZPO ist es ausreichend aber auch erforderlich, dass die Vollstreckung bei der zuständigen Stelle innerhalb der Frist beantragt worden ist. Denn dann hat der Vollstreckungsgläubiger mit der Antragstellung alles getan, was ihm möglich ist, und er soll keine Nachteile aus der Dauer des Vollstreckungsverfahrens haben.
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen für den Vorwurf eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 19. Oktober 2009 wird aufgehoben.
Der Antrag, gegenüber dem Antragsgegner ein Zwangsgeld für den Fall der Nichtumsetzung des Beschlusses des Sozialgerichtes Leipzig vom 22. Juni 2009 (Az. S 13 SO 51/09 ER) anzudrohen und nach vergeblichem Fristablauf festzusetzen, wird abgelehnt.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen einen Beschluss nach § 201 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Das Sozialgericht gab im Verfahren Az. S 13 SO 51/09 ER dem Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes teilweise statt und erließ mit rechtskräftigem Beschluss vom 22. Juni 2009 eine einstweilige Anordnung, worin der Antragsgegner verpflichtet wurde, die Kosten für den Arbeitsbereich in einer Werkstatt für behinderte Menschen ab 1. Juli 2009 vorläufig darlehensweise zu übernehmen. In der Begründung setzte es sich mit den Voraussetzungen des § 92 Abs. 3 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) auseinander. Im Rahmen seines Ermessens nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 938 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erachtete es das Sozialgericht als ausreichend, wenn der Antragsgegner die Leistung einstweilen nur darlehensweise erbringt. Der Beschluss wurde beiden Beteiligten jeweils am 29. Juni 2009 zugestellt.
Der Antragsgegner forderte mit Schreiben vom 6. Juli 2009 die Betreuerin des Antragstellers auf, eine Einverständniserklärung über die Darlehensgewährung zu unterschreiben. Dies wurde vom anwaltlich vertretenen Antragsteller mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Rechtslage eindeutig aus dem Beschluss des Sozialgerichts ergebe.
Im Schreiben vom 15. Juli 2009 vertrat der Antragsgegner die Auffassung, dass ein Darlehen nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden könne. Es werde um Mitteilung gebeten, wie das Darlehen gesichert werden solle. Hierauf erwiderte die Antragstellerbevollmächtigten mit Schreiben vom 3. August 2009, dass das Sozialgericht die Verpflichtung zur Darlehensgewährung nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht habe. Der Antragsgegner werde zum wiederholten Male aufgefordert, dem gerichtlichen Beschluss endlich Folge zu leisten und nicht ständig neue “Ausflüchte„ zu suchen. Im Schreiben vom 6. August 2009 hielt der Antragsgegner an seiner Rechtsauffassung fest und berief sich auf die Ermessensregelung in § 91 Satz 2 SGB XII.
Am 24. August 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht beantragt, entsprechend § 201 SGG dem Antragsgegner eine Frist zur Umsetzung des Beschlusses vom 22. Juni 2009 zu setzen und für den Fall der Nichtbefolgung binnen gesetzter Frist ein Zwangsgeld von bis zu 1.000,00 EUR anzudrohen. Die Vollziehungsfrist sei gewahrt, weil gegenüber dem Antragsgegner binnen Monatsfrist und im Anschluss deutlich gemacht worden sei, aus dem Beschluss Rechte herleiten zu wollen. Der Antragsgegner hat erwidert, dass der Vollziehung des Beschlusses die Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO entgegenstehe. Im Übrigen wurden Bedenken geäußert, ob der Beschluss einen vollstreckungsfähigen Inhalt habe.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 19. Oktober 2009 die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 EUR für den Fall angedroht, dass der Antragsgegner nicht bis spätestens 22. Oktober 2009, 12.00 Uhr, den Beschluss vom 22. Juni 2009 zugunsten des Antragstellers umgesetzt hat. Der Antrag sei zulässig. Zwar sei die Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu beachten. Jedoch sei auch zu beachten, dass sich niemand rechtsmissbräuchlich auf diese Frist berufen dürfe. Der Antragsteller habe auf Grund des Schreibens des Antragsgegners vom 6. Juli 2009 davon ausgehen können, dass der Antragsge...