Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. abweichende Erbringung der Regelleistungen. Darlehen bei unabweisbaren Bedarf. Abgrenzung der Stromkostennachzahlung von Stromschulden
Orientierungssatz
1. Um einen Bedarf iS des § 23 Abs 1 S 1 SGB 2 handelt es sich bei einer geforderten Stromkostennachzahlung nur, wenn im Abrechnungszeitraum die Abschlagszahlungen entrichtet worden sind und dennoch wegen Mehrverbrauchs ein Nachzahlungsbetrag entstanden ist. Da Energiekosten Bestandteil der Regelleistung sind, sind erforderliche Nachzahlungen aufgrund der Schlussrechnung beim Auszug aus einer Wohnung sowie aufgrund von Turnusrechnungen grundsätzlich aus der laufenden Regelleistung zu zahlen. Lässt sich hieraus der Bedarf aber nicht decken, so ist die darlehensweise Bedarfserbringung im Rahmen von § 23 Abs 1 SGB 2 einschlägig (vgl LSG Celle-Bremen vom 19.8.2005 - L 7 AS 182/05 ER = FEVS 57, 436).
2. Um nicht gedeckte Schulden, für die § 23 Abs 1 SGB 2 nicht anwendbar ist, würde es sich demgegenüber nur handeln, wenn die geforderte Stromkostennachzahlung durch Nichtzahlung der Abschlagsbeträge im Abrechnungs- und Verbrauchszeitraum entstanden wären.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 17. Oktober 2005 wird insoweit aufgehoben, als die Beschwerdeführerin verpflichtet wird, die laufenden Stromkosten bis 31.12.2005 zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin deren außergerichtliche Kosten für beide Verfahrenszüge zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (Bf.) begehrt die Aufhebung der im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz (SG) vom 17.10.2005 ausgesprochene Verpflichtung zur vorläufigen und darlehensweisen Gewährung sowohl der rückständigen als auch der laufenden Stromkosten bis 31.12.2005.
Die am … 1949 geborene Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Bg.) ist geschieden und erwerbsfähig. Sie lebt seit 01.02.2004 allein in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in C., K.straße 8. Zuletzt bezog sie bis 31.12.2004 Sozialhilfe.
Am 31.08.2004 beantragte sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 02.12.2004 bewilligte ihr die Bf. Alg II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von 592,00 € monatlich.
Gegen diesen Bescheid legte die Beschwerdegegnerin (Bg.) am 15.12.2004 Widerspruch ein.
Es bestünden trotz teilweiser Zurückzahlung Schulden gegenüber dem Energieversorger. Dieser habe die Einstellung der Energieversorgung zum 09.02.2005 angekündigt.
Am 01.02.2005 hat die Bg. beim SG Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt und beantragt, ohne mündliche Verhandlung im Wege der einstweiligen Anordnung zu bestimmen, dass ihr von der Bf. ein Darlehen gem. § 23 Abs. 1 SGB II zur Tilgung des Rückstandes bei der Stadtwerke Chemnitz AG in Höhe von 975,10 € zu bewilligen sei.
Aus einer vorherigen Wohnung (R.Straße ..., C.) bestehe ein Zahlungsrückstand in dieser Höhe bei der Stadtwerke Chemnitz AG. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
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Turnus-RE Gas |
20.10.2003 |
289,43 € |
Turnus-RE Strom |
20.10.2003 |
193,44 € |
Schluss-RE Gas |
18.03.2004 |
367,45 € |
Schluss-RE Strom |
18.03.2004 |
124,78 €. |
Im vergangenen Jahr habe sie bereits 154,03 € getilgt. Des Weiteren zahle sie monatlich 10,00 € auf diesen Rückstand. Daneben bezahle sie für die jetzige Wohnung ordnungsgemäß die Abschläge. Der Versorger habe für den 09.02.2005 die Sperrung angekündigt. Sie habe keine Möglichkeit, privat ein Darlehen zu erhalten.
Seit dem 09.02.2005 habe sie nunmehr weder elektrisches Licht, noch eine Kochgelegenheit.
Die Bf. hat sinngemäß beantragt, den Antrag abzulehnen.
Die Bg. sei informiert worden, dass sie die Möglichkeit habe, beim Sozialamt Chemnitz als zuständige Behörde einen Antrag auf Energieschuldübernahme zu stellen. Nach dem SGB II könnten Miet- und Energieschulden nur übernommen werden, wenn die eventuelle Schuldübernahme mit einem konkreten Beschäftigungsverhältnis im Zusammenhang stehe. In allen anderen Fällen werde auf die Möglichkeit einer Schuldenübernahme nach § 34 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) verwiesen.
Mit Schreiben vom 15.03.2005 teilte die Stadt Chemnitz mit, die Bg. habe am 08.10.2003 die Übernahme der Forderung der Stadtwerke Chemnitz AG i.H.v. 722,47 € aus der Turnusabrechnung vom 29.09.2003 für den Bezug von Strom und (Heiz-)Gas für ihre damalige Wohnung in der R.Straße ..., die sie mit ihrem volljährigen Sohn bewohnte, beantragt. Nach der aufgrund des Umzugs am 01.02.2004 erstellten Schlussrechnung der Stadtwerke Chemnitz AG vom 18.03.2004 hätten sich weitere Forderungen für den Bezug von Strom i.H.v. 124,78 € und Gas i.H.v. 367,45 € ergeben. Einschließlich Mahngebühren schuldet die Bg. insgesamt 1.232,70 €.
Mit Bescheid vom 10.03.2004 habe die Stadt Chemnitz die Übernahme der Energieschulden mit der Begründung, der Bg. sei bereits im Jahre 2001 die Übernahme von Energieschulden bewilligt worden, abgelehn...