Verfahrensgang
SG Chemnitz (Urteil vom 11.09.1998; Aktenzeichen S 7 KN 261/95 U) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. September 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung der Folgen eines Kehlkopfkarzinoms als Berufskrankheit.
Der am … geborene Kläger war von August 1950 bis Juni 1970 bei der Wismut AG im Uranerzbergbau unter Tage tätig, als Hauer in … und in … Während dieser Tätigkeit war er der inhalativen Belastung durch alphastrahlende Radonfolgeprodukte ausgesetzt, deren kumulative Dosis mit 1.100 Working Level eingeschätzt wird. Es handelt sich dabei um eine Dosis, die unstreitig ausreicht, einen Lungenkrebs zu induzieren.
Ab 02.09.1966 wurde bei dem Kläger eine Lärmschwerhörigkeit mit einem Körperschaden von 10 % und ab dem 04.09.1981 eine Silikose mit einem Körperschaden von zunächst unter 20 %, ab September 1985 mit 30 % anerkannt.
Am 18.03.1969 wurde der Kläger in der HNO-Universitätsklinik … wegen eines verhornenden Plattenepithelkarzinoms der Epiglottis operiert. Es wurde eine Teilexstirpation des Kehlkopfes sowie eine Nachbestrahlung durchgeführt. Zurück blieben eine Dysphagie mit Aspiration, Xerostomie und Infektanfälligkeit. Eine Anerkennung dieser Folgen als Berufskrankheit (BK) Nr. B 91 BKVO/DDR wurde mit Bescheid vom 07.02.1985 abgelehnt. Seinerzeit war lediglich geprüft worden, inwieweit eine Verursachung durch Arsen und seine Verbindungen in Betracht kommt.
Im Dezember 1991 beantragte der Kläger bei der Bergbau-Berufsgenossenschaft die Anerkennung der Folgen des Kehlkopfkarzinoms als Berufskrankheit. Die Bergbau-Berufsgenossenschaft gab das Verfahren an die Beklagte ab.
Diese bat Prof. Dr. …, Facharzt für Arbeitsmedizin, um eine gutachterliche Stellungnahme. Prof. … wies darauf hin, dass es über die Entstehung von Krebs des Kehlkopfes keine aussagekräftigen epidemiologischen Unterlagen gebe. Er wies aber darauf hin, dass Expositions- und Latenzzeit bei dem Kläger den arbeitsmedizinischen Erfahrungswerten entsprächen. Außerdem sei der Kläger Nichtraucher gewesen.
Auf seinen Vorschlag hin holte die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme vom Bundesgesundheitsamt ein. Von dort aus wurde zunächst ein Zusatzgutachten von Frau …, Oberärztin in der HNO-Klinik … angefordert. Frau Dr. … vertrat die Auffassung, der Zusammenhang zwischen der 20-jährigen strahlenexponierten beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung an Kehlkopfkarzinom sei als sehr wahrscheinlich anzusehen. Sie berief sich in ihrem Gutachten auf Literatur zur Epidemiologie des Bronchialkarzinoms. Den Körperschaden bewertete sie mit 50 %. Dagegen kommt ein Gutachten von Frau Dr. … vom 30.03.1993 zum gegenteiligen Ergebnis: Trotz umfangreichen Literaturstudiums (ca. 25.000 Literaturstellen) habe man in keiner der internationalen Studien einen Hinweis auf eine vermehrte Entstehung von Kehlkopfkarzinomen bei Uranbergarbeitern gefunden. Die Basalzellenschicht der Bronchialschleimhaut sei wegen der geringen Dichte der Schleimhautdeckzellen anfälliger für die Alphastrahlung als der Kehlkopf, welcher eine größere Schleimhautdicke aufweise.
Frau Dr. … vom … Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin empfahl daraufhin mit Schreiben vom 23.09.1993 – gestützt auf das Gutachten von Frau … –, den Antrag des Klägers auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 92 BKVO/DDR abzulehnen. Für eine Häufung von bösartigen Tumoren am Kehlkopf fänden sich in den Untersuchungen zur Krebsgefährdung durch Radonspaltprodukte an Uranbergleuten keine gesicherten Hinweise, die zu gutachterlicher Konsequenz berechtigten.
Mit Bescheid vom 10.01.1995 lehnte daraufhin die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung der Kehlkopferkrankung als Berufskrankheit ab. Sie formulierte diesen Bescheid als Bescheid nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), bezogen auf den Ablehnungsbescheid der Sozialversicherung der DDR vom 07.02.1985. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 14.06.1995 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 04.07.1995 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Altenburg, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14.08.1995 an das SG Chemnitz verwies. Auf Anforderung des SG nahm die Beklagte noch einmal zur Exposition Stellung und errechnete eine kumulative Organdosis von 98,05 Sievert (Sv) und eine Verursachungswahrscheinlichkeit anhand des Jacobi III-Gutachtens von 83,1 %. In einer gutachterlichen Stellungnahme vom 11.06.1996 bejahte der leitende Arzt des Arbeitsmedizinischen Zentrums …, Prof. Dr. …, den Ursachenzusammenhang zwischen dem erfolgreich behandelten Epiglottiskarzinom und der beruflichen Strahlenbelastung. Auch er legte eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 83 % zugrunde. Auch nach dem Gutachten von Chefarzt Dr. …, HNO-Klinik der St...