Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. haftungsbegründende Kausalität. kein Nachweis: Anlageleiden. Riss der distalen (körperfernen) Bizepssehne beim Anheben einer Schul-Tafel. Möbelmonteur
Leitsatz (amtlich)
1. Die Feststellung eines Arbeitsunfalls setzt weder ein ungewöhnliches Geschehen noch eine unübliche Verrichtung im Rahmen der versicherten Tätigkeit voraus (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R; vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R = BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22).
2. Die Tatsache, dass statistisch 50 % der Läsionen der distalen Bizepssehne auf einen anlagebedingten Schaden zurückzuführen sind, beweist allein nicht das Vorliegen einer Schadensanlage.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 8. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.
Der 1968 geborene Kläger ist Möbelmonteur und seit vielen Jahren als Kundendienstmonteur im ganzen Bundesgebiet auf Montage tätig. Am 06.06.2018 führte er mit dem Zeugen E.... eine Tafelrevision in dem Gymnasium Z.... durch. Am Nachmittag hoben sie eine defekte Tafel aus und stellten sie auf den Boden ab. Nach der Reparatur hoben sie die Tafel erneut an, als der Kläger einen Schmerz im Bereich des rechten Ellenbogens verspürte. Sie stellten die Tafel wieder ab, wechselten die Seiten und beendeten die Reparatur. Der Kläger arbeitete den Rest der Arbeitswoche und auch die Folgewoche weiter. Danach hatte er eine Woche Urlaub.
Am 26.06.2018 begab sich der Kläger zum D-Arzt Dr. Y.... . Dieser befundete am rechten Oberarm: Druckschmerz am distalen Sehnenansatz des Musculus biceps dextra, keine Weichteilschwellung, keine Kraftminderung, rechtes Ellenbogengelenk gut und frei beweglich, 0-0-130 Grad; keine neurologischen Defizite, Hook-Test negativ, periphere Durchblutung, Motorik, Sensibilität intakt. Als Erstdiagnose nannte er eine Muskelzerrung des rechten Oberarmes. In der Folge ergab eine MRT-Aufnahme des rechten Ellenbogengelenks vom 03.07.2018 eine komplette Ruptur der distalen Bizepssehne. Unter dem 05.07.2018 berichtete D-Arzt Dr. Y.... über den weiteren Behandlungsverlauf. Der Kläger habe einen etwa 25 kg schweren Gegenstand ruckartig angehoben. Seitdem bestünden Schmerzen im Bereich der rechten Ellenbeuge am Bizepssehnenansatz. Vom 09.07.2018 bis 11.07.2018 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in der X.... -Klinik B...., wo am 09.07.2018 die operative Refixation der distalen Bizepssehne mittels BicepsButton erfolgte. Intraoperativ bestätigte sich eine komplette Ruptur des distalen Bizepssehnenansatzes. Auf die Epikrise des stationären Aufenthalts, den Operationsbericht vom 09.07.2018 und den histologischen Befundbericht wird Bezug genommen.
Am 17.07.2018 ging die Unfallanzeige der Arbeitgeberin des Klägers vom 16.07.2018 ein. Am 06.06.2018 gegen 15:00 Uhr habe der Kläger beim Anheben einer Schultafel (200 x 100 cm) einen starken Schmerz im Bereich des rechten Ellenbogens verspürt und sich einen Bizepssehnenriss zugezogen. Im Rahmen eines Telefongesprächs am 17.07.2018 mit einem Mitarbeiter der Beklagten über den Unfallhergang erklärte der Kläger, dass sich an einer Tafel die Kette ausgehängt habe und man zunächst die Tafelfläche habe aushängen müssen. Nachdem die Kette eingehängt worden sei, habe er mit dem Kollegen die Tafel (zwischen 25 kg und 80 kg) wieder anheben wollen. Hierbei habe er sich gebückt, die Tafel seitlich angehoben mit der rechten Hand unten und der linken Hand oben. Die linke Hand habe nur zum Halten des Gleichgewichts gedient. Seines Erachtens habe er die Tafel zu ruckartig angehoben, da sie in Zeitdruck gewesen seien. Daraufhin hätten sie die Seite gewechselt und er habe die Tafel mit der linken Hand unten angehoben und mit der rechten Hand ausbalanciert. Bis zum Ende des Arbeitstages habe es nur noch Kleinigkeiten zum Ausbessern gegeben. Am Freitag seien sie wieder ins Werk zurückgefahren. In der darauffolgenden Woche habe er nur Reklamationsarbeiten ohne Belastung des rechten Armes ausgeführt. Anschließend habe er Urlaub gehabt. Im Urlaub habe er die Verletzung gekühlt. Als die Beschwerden nicht vollständig besser geworden seien, habe er sich beim D-Arzt vorgestellt. Bei der MRT sei dann ein Bizepssehnenriss festgestellt worden. Als Beratungsarzt erklärte Dr. V...., dass kein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorliege. Ausweislich der Beschreibung des Klägers könne davon ausgegangen werden, dass es zu einer ganz regelhaften Anhebetätigkeit im Bereich des rechten Ellenbogens gekommen sei. Das Gewicht der Tafel (zwischen 25 und 80 kg) sei für den Kläger auch nicht außergewöhnlich und gehe nicht über das ein das übliche Maß übersteigende Belastungsniveau hinaus. A...