Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zuwendung eines Elternteils. Kraftfahrzeug. Einnahme in Geldeswert. zweckbestimmte Einnahme. Gerechtfertigkeitsprüfung. Anrechnung des über dem Freibetrag für ein angemessenes Kraftfahrzeug liegenden Betrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Berücksichtigung eines Fahrzeugs als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II.

2. Die Frage, welche Umstände die Lage des Empfängers iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF bzw § 11a Abs 5 Nr 2 SGB II in der seit 1.4.2011 geltenden Fassung so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden und daher nicht verallgemeinerungsfähig.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 29. Mai 2012 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 05.02.2009 bis 31.05.2009 wegen der Berücksichtigung eines Kfz.

Der 1967 geborene erwerbsfähige Kläger bezog seit 2005 mit Unterbrechungen Leistungen vom Beklagten. Er wohnt im 1975 errichteten, schuldenfreien Haus seiner Eltern, das bei einer Wohnfläche von 99 m² über fünf Zimmer verfügt. Seit dem Tod seiner Mutter im Jahr 2006 lebte er dort zusammen mit seinem 1931 geborenen und inzwischen verstorbenen Vater. Er erklärte am 27.08.2008, dass er von seinem Vater keine Leistungen, wie z.B. Unterkunft oder Verpflegung erhalte.

2008 besaß der Kläger einen Opel Zafira (Erstzulassung am 02.11.2000; ca. 195.000 km). Am 15.08.2008 verfügte er auf seinem Girokonto bei der O... Sparkasse über ein Guthaben von 1.066,75 € und bei der P... Bank am 13.08.2008 über 23,27 € sowie über ein monatlich kündbare Lebensversicherung bei der R... Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von 8.120,16 € und einem Beleihungswert von 5.700,00 € am 01.08.2008.

Für das Wohngebäude (ohne Garage/Stellplatz) fielen laut Abgabenbescheid der Stadt A... vom 16.01.2009 im Februar und Mai 2009 Grundsteuern in Höhe von 37,13 € an. Die Gebäudeversicherung war im Januar fällig, die Müllgebühren im August. Für Trink- und Schmutzwasser waren laut Gebührenbescheid der Stadt A... vom 13.10.2008 monatlich 42,00 € zu entrichten, für Gas laut Abrechnung vom 02.10.2008 277,00 €. Schornsteinfegerkosten fielen am 09.03.2009 in Höhe von 41,34 € an. Die Wartung der Heizungsanlage erfolgte im November 2009.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 27.11.2008, mit dem der Kläger die Jahresabrechnung für Gaslieferungen vom 02.10.2008 und den Gebührenbescheid vom 13.10.2008 für Trinkwasser und die Abwasserbeseitigung vorgelegt hatte, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 04.12.2008 monatliche Leistungen in Höhe von 502,85 €, davon 151,85 € Kosten der Unterkunft und Heizung, die der Beklagte auf der Grundlage der vorgelegten Nachweise jeweils monatlich anteilig berechnet hatte.

Mit Kaufvertrag vom 29.01.2009 erwarb der Kläger aufgrund der Bestellung vom 18.06.2008 einen erdgasbetriebenen V... mit Sonderausstattungen zum Preis von 19.421,18 €, der am 05.02.2009 auf ihn zugelassen und am 06.02.2009 von seinem Vater bezahlt wurde. Der auf dem Kläger lautende Fahrzeugbrief wurde dem Kläger übersandt, der den Wagen am 16.02.2009 abholte. Zum 05.02.2009 schloss der Kläger einen neuen Kfz-Versicherungsvertrag wegen Fahrzeugwechsels.

Mit Änderungsbescheid vom 09.02.2009 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen teilweise auf und bewilligte dem Kläger nach Vorlage des vollständigen Gebührenbescheides vom 13.10.2008 für die Zeit von 01.12.2008 bis 31.05.2009 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung von 172,54 €, insgesamt 523,54 € monatlich.

Zum Weiterbewilligungsantrag vom 02.06.2009 forderte der Beklagte vom Kläger u.a. Nachweise zu dessen Vermögen an. Nach seinen Angaben verfügte der Kläger am 08.07.2009 über Kontoguthaben bei der P... Bank von 169,42 €, die R... Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von 8.720,05 € und einem Beleihungswert von 80 % zum 14.07.2009 und den V... (1/2 Jahr 10.000 km) mit einem Händlereinkaufswert von 9.825,00 € am 16.08.2009.

Der Beklagte errechnete ein Gesamtvermögen von 9.470,46 €. Dabei berücksichtigte er von der Lebensversicherung den Beleihungswert von 6.976,04 €, das Girokontoguthaben und vom Wert des Kfz die Differenz zum Freibetrag von 7.500,00 € in Höhe von 2.325,00 €. Abzüglich des dem Kläger zustehenden Freibetrages nach § 12 Abs. 2 Satz 1 SGB II von 6.300,00 € sowie des Freibetrages für Anschaffungen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II ergab sich anzurechnendes Vermögen von 2.420,46 €. Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2009 die Bewilligung von Leistungen auf den Weiterbewilligungsantrag vom 02.06.2009 ab.

Am 28.07.2010 teilte der Kläger mit, die Finanzierung des Autos se...

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