Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Ausschluss von Überweisungen durch Hochschulambulanzen an Vertragsärzte und Medizinische Versorgungszentren. Honorar. Ermächtigte Krankenhausfachambulanz. Universitätsklinikum. Juristische Person des öffentlichen Rechts. Grundrechtsfähigkeit. Beitrittsgebiet. Wissenschaftsfreiheit. Leistungen ohne Forschungs- und Lehrbezug. Labormedizinische Untersuchungen. Krankenversorgung. Berufsfreiheit. Statusrelevante Regelung. Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Das Überweisungsverbot nach § 24 Abs 2 S 4 BMV-Ä und § 27 Abs 2 S 4 EKV-Ä gilt auch für Hochschulambulanzen iS des § 117 Abs 1 SGB 5.
2. Das Überweisungsverbot nach § 24 Abs 2 S 4 BMV-Ä und § 27 Abs 2 S 4 EKV-Ä weist keine Statusrelevanz auf und hat daher in § 82 Abs 1 SGB 5 eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage.
3. Eine Hochschulambulanz kann dem Überweisungsverbot nach § 24 Abs 2 S 4 BMV-Ä und § 27 Abs 2 S 4 EKV-Ä nicht entgegenhalten, die einzelne von ihr veranlasste Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahme weise keinen Forschungs- oder Lehrbezug auf.
4. Leistungen von Arztgruppen, die nur auf Überweisung tätig werden dürfen, dürfen nicht abgerechnet werden, wenn die Überweisung aus der professionellen Sicht des ausführenden Arztes erkennbar fehlerhaft ist.
5. Ein Universitätsklinikum der öffentlichen Hand ist bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung nicht grundrechtsfähig. Gleiches gilt für ein von einem solchen Universitätsklinikum in Privatrechtsform geführtes Medizinisches Versorgungszentrum.
Normenkette
BMV-Ä § 24 Abs. 2 S. 4; EKV-Ä § 27 Abs. 2 S. 4; SGB V § 82 Abs. 1, § 107 Abs. 1, § 311 Abs. 2; GG Art. 5 Abs. 3 S. 1, Art. 12 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 33.669,74 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung von Laborleistungen, die durch das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) eines Universitätsklinikums auf Überweisung von Hochschulambulanzen desselben Universitätsklinikums erbracht wurden.
Das MVZ der klagenden GmbH nimmt seit dem Quartal II/2005 an der vertragsärztlichen Versorgung teil, damals mit zwei hausärztlich tätigen Allgemeinmedizinern und einem Laborarzt. Alleiniger Anteilseigner der Klägerin ist ein als Anstalt des öffentlichen Rechts geführtes Universitätsklinikum, dessen Hochschulambulanzen seit 2001 gemäß § 117 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur ambulanten ärztlichen Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang ermächtigt sind. Bestandteil der Ermächtigung war ein Universitätspoliklinikenvertrag vom 09.01.2002, der unter anderem die in die Ermächtigung einbezogenen Hochschulambulanzen einzeln aufführte und Fallzahlobergrenzen für die im Rahmen der Ermächtigung pauschal zu vergütenden Behandlungsfälle festlegte. Der Vertrag galt bis zum 31.12.2002. Wesentliche Regelungen des Vertrages wurden in den Hochschulambulanzenvertrag vom 17.04.2003 überführt.
Mit Honorarbescheid vom 25.10.2005 setzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) das Honorar der Klägerin für das Quartal II/2005 unter Richtigstellung der Abrechnung auf 9.552,94 € fest. Bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung wurden sämtliche Laborleistungen, die im MVZ in insgesamt 1.825 Fällen auf Überweisung aus dem Universitätsklinikum erbracht worden waren, von der Vergütung ausgeschlossen. Zur Begründung verwies die Beklagte auf einen Beschluss ihres Vorstandes vom 21.09.2005, wonach die Eingriffe in die Gesamtvergütungsmittel durch Überweisungen aus dem Universitätsklinikum an sein MVZ unterbunden werden sollten. Bereits mit Schreiben vom 11.10.2005 hatte die Beklagte die Richtigstellung angekündigt, weil der begründete Verdacht bestehe, dass mit der Gründung des MVZ vorrangig das Ziel verfolgt werde, aufgrund besserer Abrechnungsmöglichkeiten Leistungen in den vertragsärztlichen Bereich zu verschieben. Die Prüfung der Abrechnung des MVZ bestätige diesen Gestaltungsmissbrauch. Von den 2.075 durch das MVZ eingereichten Behandlungsscheinen seien 1.855 Überweisungen durch das Universitätsklinikum selbst und durch ermächtigte Ärzte am Universitätsklinikum, davon 1.853 Laborscheine.
Die Klägerin legte Widerspruch ein. Ihr MVZ sei ordnungsgemäß errichtet, nehme gleichberechtigt an der vertragsärztlichen Versorgung teil und dürfe deshalb auch auf Überweisung tätig werden. Die ermächtigten Ärzte und Hochschulambulanzen des Universitätsklinikums seien zur Überweisung berechtigt. Die Ermächtigung für die Hochschulambulanzen enthalte keinerlei Einschränkungen im Hinblick auf Überweisungen. Auch der Hochschulambulanzenvertrag schließe externe Überweisungen in den vertragsärztlichen Bereich nicht aus, sondern regele nur inte...