Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückverweisung der Streitsache an die Verwaltung zur weiteren Sachaufklärung. Überprüfbarkeit durch das Rechtsmittelgericht. Auslegung und Anwendung von § 131 Abs 5 SGG. Ausnahmecharakter. Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen. Sachdienlichkeit einer Zurückweisung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorliegen der drei Tatbestandsvoraussetzungen in § 131 Abs 5 S 1 SGG (noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten) ist vom Rechtsmittelgericht uneingeschränkt überprüfbar, die Ermessensausübung jedoch nur auf Ermessensfehler.

2. Bei der Auslegung und Anwendung von § 131 Abs 5 SGG ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dieser Regelung - ähnlich der des § 159 SGG - um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter handelt, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen und auf besonders gelagerte Fälle beschränkt sind.

3. Die Regelung in § 131 Abs 5 SGG dient - ebenso wie die Regelung in § 159 SGG - nicht dazu, dem jeweils vorherigen Entscheidungsträger das eigene Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung als verbindlich vorzuschreiben, sondern vielmehr dazu, in Ausnahmefällen bei Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen eine erneute Entscheidung des vorhergehenden Entscheidungsträgers unter Durchführung weiterer (oder im Einzelfall sogar erstmaliger) Ermittlungen zu erwirken.

4. Gesichtspunkte für die Sachdienlichkeit einer Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung sind dann gegeben, wenn die Verwaltung ihre Aufgabe, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, nicht wahrgenommen, sondern im Sinne eines Ermittlungsausfalles unterlassen hat, das heißt wenn keine für die Beurteilung des Streitgegenstandes verwertbare Ermittlung vorliegt.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 13. September 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Dresden zurückverwiesen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Sozialgerichts Dresden vorbehalten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides und die Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung.

Mit Bescheid vom 17. August 2006 bewilligte die ARGE S… Sch… dem Kläger für die Zeit vom 27. Juli 2006 bis 31. Januar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Das Hauptzollamt D… teilte der nunmehr zuständigen ARGE S… Sch…-O… mit Schreiben vom 9. November 2009 im Rahmen eines Amtshilfeersuchens mit, dass es gegen den Kläger wegen Leistungsmissbrauchs ermittele. Dem Hauptzollamt liege eine Anzeige vor, nach der der Kläger zumindest zeitweise in den Jahren 2001 bis 2007 für die Firma M… H…GmbH tätig gewesen sein solle. Er soll von dieser Firma angekaufte Fahrzeuge vom Verkäufer nach H… beziehungsweise D… überführt haben. Es seien so genannte „Kassenbelege" vorhanden, nach denen der Kläger regelmäßig Geldzahlungen vom Geschäftsführer der Firma M… H… GmbH erhalten haben solle. Die ARGE werde um Überprüfung des Verdachtes des Leistungsmissbrauchs und Mitteilung des Ergebnisses der Prüfung gebeten. Dem Amtshilfeersuchen waren einfache Notizzettel beigefügt, auf welchen der Name „R. G…“ sowie jeweils ein Datum und ein Geldbetrag vermerkt waren.

Daraufhin hörte die ARGE S… Sch…-O… den Kläger mit Schreiben vom 2. Dezember 2009 zur beabsichtigten Aufrechnung mit seinen Leistungen an, da er im Zeitraum vom Juli 2006 bis Januar 2007 Geldzahlungen für die Überführung von Fahrzeugen von der Firma M… H… GmbH erhalten habe. Den mit der Anhörung übersandten Fragebogen „EK“ schickte der Kläger mit Datum vom 15. Dezember 2009 an die Beklagte zurück. In dem Zeitraum vom Juli 2006 bis Januar 2007 habe er kein Einkommen erzielt.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2010 teilte der Kläger auf Aufforderung mit, dass er im Zeitraum 07/2006 bis 01/2007 keine Anstellung bei der Firma M… H… GmbH gehabt habe. Auch sei er nicht mehr in Besitz von Kontoauszügen für diesen Zeitraum.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26. Februar 2010 und Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2010 hob die ARGE S… Sch…-O… den Bewilligungsbescheid vom 17. August 2006 teilweise in Höhe von 2.370,00 EUR auf. Der Kläger habe während des genannten Zeitraums Geldzahlungen von der Firma M… H… GmbH für die Überführung von Fahrzeugen erhalten. Er habe Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung seines Anspruches geführt habe (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - [SGB X]). Die zu Unrecht bezogenen Beträge seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten.

Dagegen hat der Kläger am 11. Juni 2010 Klage erhoben. Die im Widerspruchsbescheid aufgestellte Beh...

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