Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Kameramann. Auftragsverhältnis im Bereich Film, Funk und Fernsehen. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. programmgestaltende Tätigkeit. Beachtung von Art 5 Abs 1 S 2 GG bei sozialversicherungsrechtlicher Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Rundfunkanstalt und programmgestaltenden Mitarbeitern
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kriterien für die Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der abhängigen Tätigkeit sind grundsätzlich auch im Bereich Film, Funk und Fernsehen anwendbar.
2. Allerdings haben die Gerichte bei der Entscheidung darüber, ob Rechtsbeziehungen zwischen den Rundfunkanstalten und ihren in der Programmgestaltung tätigen Mitarbeitern als Arbeitsverhältnisse einzuordnen sind, Art 5 Abs 1 S 2 GG und das daraus resultierende Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der programmgestaltenden Rundfunkmitarbeiter Rechnung zu tragen, zu beachten.
3. Ob eine programmgestaltende Tätigkeit gegeben ist, kann dahin stehen, wenn es sich bei der zu beurteilenden Tätigkeit bereits nach allgemeinen Grundsätzen um eine selbständige Tätigkeit und nicht um eine Beschäftigung handelt.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 16. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers und des Beigeladenen zu 1 im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Tätigkeit des Klägers als Kameramann für den Beigeladenen zu 1 zwischen dem 7. Juni 2004 und dem 8. Mai 2005 und dem 2. Juli 2005 und dem 24. April 2009 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Der am … 1968 geborene Kläger ist für den Beigeladenen zu 1 sowie weitere Auftraggeber als Kameramann tätig.
Am 18. Juni bzw. 2. September 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Statusfeststellung im Hinblick auf seine Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1.
In zwei vorangegangenen Statusfeststellungsverfahren war die Tätigkeit des Klägers beim MDR mit Bescheid vom 22. Januar 2008 als ab 14. September 2007 in der Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig (keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, da hauptberuflich selbstständig) qualifiziert worden, eine Tätigkeit bei der MCS S… GmbH im Jahr 2002 als selbstständige.
Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Kläger zu seiner Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1, dass mündliche Vereinbarungen - schriftliche Verträge existierten nicht - in der Regel per Telefon erfolgten. Die Disponentin frage an, ob er an dem gewünschten Termin Zeit und Interesse habe, den angebotenen Auftrag zu erledigen. Hierüber entscheide er frei und erhalte keinerlei Weisungen o.ä., einen Auftrag anzunehmen. Versichert sei er über die Künstlersozialkasse. Im Vorfeld werde in der Regel nur das Tageshonorar festgelegt, bei dem telefonischen Kontakt gehe es meist um organisatorische Fragen (Anfangszeiten, Treffpunkte, Technikanforderung etc.). Für seinen Auftraggeber, den Beigeladenen zu 1, erledige er alle Tätigkeiten, die einem TV-Kameramann oblägen, wie die Bedienung der Kamera, d.h. das Ziehen der Schärfe, Ermitteln und Einschalten der Blende, Einschätzen der Beleuchtungssituation und Aufstellen evtl. benötigter Scheinwerfer. Zwar werde die Technik überwiegend vom Auftraggeber eingesetzt, da sich dieser als Technikdienstleister verstehe; wenn benötigt und gewünscht, stelle der Kläger gegen Entgelt aber auch seine eigene Kamera mit Stativ und Mikrofon zur Verfügung. Sämtliche Tätigkeiten führe er höchstpersönlich ohne Angestellte und Hilfskräfte aus. Der Auftraggeber erteile ihm keine Weisungen fachlicher Art. Er sei entscheidungsfrei und auf sich allein gestellt. Dienst- oder Rufbereitschaft werde nicht erwartet. Die Vergütung erfolge per Rechnung und könne je nach Auftrag variieren. Er sei seit ca. 2004 für seinen Auftraggeber tätig, ohne dass eine zeitliche Begrenzung der Auftragserteilung üblich sei. Seither habe er u.a. an der Serie "E…, T… & Co." mitgewirkt, wofür die Beauftragung ebenfalls kurzfristig erfolge. Außer ihm arbeiteten an dieser Serie regelmäßig acht weitere Kollegen als Kameraleute in einem Pool mit.
Mit Anhörungsschreiben vom 17. Oktober 2008 teilte die Beklagte sowohl dem Kläger als auch dem Beigeladenen zu 1 mit, dass sie die Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers bei dem Beigeladenen zu 1 beabsichtige.
Der Beigeladene zu 1 führte daraufhin unter dem 24. November 2008 aus, er verstehe sich als künstlerisch-technischer Dienstleister für verschiedenste Auftraggeber (öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, private Sender und Produzenten), für die er nur da...