Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versorgung mit einem Bewegungstrainer
Leitsatz (amtlich)
Eine Versorgung mit einem Bewegungstrainer ist dann erforderlich, wenn er der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung dient, spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen und ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen nicht zur Verfügung stehen (Anschluss an BSG vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R = SozR 4-2500 § 33 Nr 32) .
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte und Berufungsklägerin die Klägerin und Berufungsbeklagte mit einem fremdkraftbetriebenen Bewegungstrainer versorgen muss.
Die am … 1943 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an Multipler Sklerose (MS). Am 10. Februar 2009 beantragte sie mittels Vorlage einer Verordnung der Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dipl. Med. F… vom 19. Januar 2009 die Versorgung mit dem Bewegungstherapiegerät MOTOmed viva2 (Spastiklockerungsprogramm mit Drehrichtungswechsel, Einstieghilfe). Beigefügt waren ein Kostenvoranschlag der Fa. Rollstuhl-Center F…, welcher für das Grundgerät einen Leistungspreis von 2.756,34 EUR und einschließlich Zubehör für die Nutzung im Bereich der unteren Extremitäten einen Gesamtpreis von 3.202,95 EUR ausweist und ein Erprobungsbericht der Praxis für Physiotherapie B… vom 28. Februar 2009. In letzterem wird die Klägerin als gehfähig mit Stock/Krücken über eine Strecke von 100 m und am Rollator von 200 m beschrieben. Für Strecken von mehr als 200 m sei sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Krankengymnastik werde 2 x wöchentlich für 60 Minuten in Anspruch genommen. Durch den Einsatz des Bewegungstrainers könne eine Erhöhung der bisherigen Therapie vermieden werden. Ausweislich eines Pflegegutachtens vom 17. März 1997 absolvierte die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt 2 x wöchentlich Krankengymnastik. Die seit dem 20. Lebensjahr bekannte multiple Sklerose zeige seit dem 40. Lebensjahr erhebliche Progredienz. Es bestehe eine erhebliche Spastik beider Beine mit erheblicher Atrophie der Unterschenkelmuskulatur beidseits. Innerhalb ihrer Wohnung sei es der Patientin möglich, sich mit Hilfe einer Unterarmstütze selbständig fortzubewegen. Die maximale Laufstrecke betrage 10 m. Es liege Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I vor.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. März 2009 nach Konsultation des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab. Die beantragte Versorgung übersteige das Maß des Notwendigen. Nachdem die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt hatte, wurde auf Veranlassung der Beklagten durch den MDK am 20. April 2009 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt, in dem die Gutachterin Dr. U… die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung als nicht erfüllt beurteilte. Nach dem Hilfsmittelverzeichnis komme die Anwendung von fremdkraftbetriebenen Bewegungstrainern in Betracht, wenn ein weitestgehender Funktionsverlust der Arme und Beine vorliege. Weiterhin komme er in Betracht, wenn die Erkrankung eine kontinuierliche krankengymnastische Behandlung erfordere und das Gerät die Maßnahme teilweise oder ganz ersetze. Werde das Gerät dagegen allein als ergänzende Maßnahme zur krankengymnastischen Behandlung eingesetzt, werde das Maß des Notwendigen überschritten. Bei der Klägerin solle weiterhin die vorhandene Gehfähigkeit durch aktives Training gefördert werden. Die weitere Fortführung der Krankengymnastik zum Erhalt des jetzigen Leistungsvermögens sei notwendig. Sie könne durch den Bewegungstrainer nicht ersetzt werden, zumal im Rahmen der Krankengymnastik eine dreidimensionale Bewegungstherapie möglich sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2009 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 16. Juli 2009 ist Klage vor dem Sozialgericht Dresden (SG) erhoben worden. Im Klageverfahren hat die Klägerin eine Bescheinigung des Chefarztes der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums P… GmbH und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. B… vorgelegt, wonach die Klägerin mit einem Glucokortikoid und wegen ihrer Spastik gleichzeitig mit Baclofen behandelt wird. Um eine weitere Befundprogredienz zu verhindern, werde ihr zusätzlich ambulante Physiotherapie verordnet, welche jedoch die kontinuierliche physiotherapeutische Behandlung, die der Klägerin täglich obliege, nicht ersetzen könne. Um die tägliche häusliche physiotherapeutische Aktivierung zu sichern, habe er zur Beantragung des Bewegungstrainers geraten.
Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt. Die Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin R… hat im Befundbericht vom 20. August 2010 ausgeführt, die Klägerin könne ohne Hilfsmitte...