Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Stoßartige Schwingungsbelastungen
Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen der BK 2110 ist eine Gesamtschwingungsbelastung ab einem Schwellenwert von Kr 12,5 als gefährdend anzusehen.
Normenkette
RVO §§ 547, 551 Abs. 1 Sätze 1-2; Anlage zur BKV Nr. 2110
Verfahrensgang
SG Chemnitz (Urteil vom 06.03.2001; Aktenzeichen S 8 U 209/96) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 06.03.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK).
Der am … geborene Kläger absolvierte von September 1958 bis September 1960 eine Lehre als Kernmacher. Ab 26.09.1960 bis Dezember 1965 arbeitete er nach den Feststellungen des technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten als Tiefbauarbeiter und hatte hierbei Lasten von 25 bis 50 Kilogramm in ca. 20 Prozent der täglichen Arbeitszeit zu heben und zu tragen. In weiteren 20 Prozent der täglichen Arbeitszeit hob und trug er Lasten von 10 bis 24 Kilogramm teilweise weit vom Körper entfernt. Von 1969 bis 1984 musste der Kläger, ebenfalls nach den Feststellungen des TAD, Lasten mit einem Gewicht von 25 bis 50 Kilogramm in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten und ca. 15 bis 20 Prozent der täglichen Arbeitszeit heben und tragen. Entsprechende Lasten hob und trug er im Rahmen seiner von 1988 bis 1994 ausgeübten beruflichen Tätigkeit.
Der Kläger arbeitete in der Zeit von 1966 bis 1994 zudem als Baumaschinist. Im Jahre 1966 bediente er nach den Feststellungen des TAD für eine Zeit von 5 Stunden täglich einen Bagger mit einer Schwingungsbelastung von Kr 25,3. In den Jahren 1967 bis 1975 fuhr der Kläger, ebenfalls für einen Zeitraum von ca. 5 Stunden täglich, einen Bagger mit einer Schwingstärke Kr 14,2. In dieser Zeit traten an etwa 44 Tagen pro Jahr stoßartige Schwingungsbelastungen von Kr ≫ 12,5 auf. Der vom Kläger von 1976 bis 1990 gefahrene Bagger wies eine Schwingungsbelastung von Kr 11,0 und der von 1991 bis 1993 gefahrene Bagger eine Schwingungsbelastung von Kr 7,1 auf (vgl. Feststellungen des TAD Blatt 89 ff. der Akte des Sozialgerichts Chemnitz).
Erst lokale Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule traten im Jahr 1968 auf. Im Jahr 1970 litt der Kläger zweimal unter kurzzeitigen akuten Schmerzattacken im LWS-Bereich, ab Ende der siebziger Jahre bestanden konstante Beschwerden, die erstmals 1979 ins linke Bein ausstrahlten und mit einer Gefühlsstörung verbunden waren.
Aus einem Röntgenbefund der LWS des Klägers vom 18.11.1968 ergibt sich, dass zu diesem Zeitpunkt die Knochenstruktur intakt war und die Wirbel und Zwischenwirbelräume normal hoch und glatt begrenzt. Die Bögen und Fortsätze waren unauffällig. Es wurde eine linkskonvexe Skoliose diagnostiziert. Ein weiterer Röntgenbefund (von Dezember 1976) ergab eine geringe Skoliose der LWS bei Spondylosis deformans der Lendenwirbelsäule, ferner eine beginnende Coxarthrose bds. rechts fortgeschrittener als links. Ein Röntgenbefund vom 22.10.1979 beschreibt eine Osteochondrose mit Bandscheibendeformation L 4/5 und sekundärer Spondylosis deformans der LWS. In einem Arztbrief vom 19.12.1980 werden rezidivierende Lumbalgien bei Spondylosis deformans und eine beginnende Coxarthrose beidseits diagnostiziert. Ein Röntgenbefund der Lendenwirbelsäule vom 14.02.1983 beschreibt eine mittelgradige Spondylosis deformans sowie Osteochondrose mit Bandscheibenerniedrigung L4/5. Gegenüber 1979 sei eine geringgradige Befundzunahme zu verzeichen. Es wurde ein LWS-Syndrom diagnostiziert.
Am 06.01.1994 erstattete der Facharzt für Orthopädie Dr. L1… eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit. Der Kläger habe erhebliche Beschwerden im gesamten Wirbelsäulenverlauf sowie der linken Schulter geäußert. Es sei eine Spondylosis deformans der gesamten Wirbelsäule diagnostiziert worden. In einem Befundbericht vom 19.12.1994 gab Dr. L1… hinsichtlich der Bewegungsmaße der LWS einen Finger-Boden-Abstand (FBA) von 60 cm und einen Schober von 10/11 cm an. Der Kläger sei vom 22.12.1993 bis zum 05.03.1994 arbeitsunfähig erkrankt gewesen, habe dann aber in der Befürchtung, anderenfalls seinen Arbeitsplatz zu verlieren, unter erheblichen Schmerzen weitergearbeitet.
Im weiteren Verlauf ermittelte die Beklagte insbesondere hinsichtlich der Belastungen, denen der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt war. Insbesondere aufgrund der Ergebnisse einer Arbeitsplatzanalyse des TAD vom 10.01.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 2108 bzw. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) mit Bescheid vom 17.04.1996 ab. Der Kläger habe keine schädigenden Tätigkeiten im Sinne dieser Berufskrankheiten ausgeführt. Auch seien die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nich...