Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. ein von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis. Nachweis. Unfallkausalität. Wahrscheinlichkeit. betriebliche Tätigkeit. innere Ursache. Schwindelanfall. Bewusstlosigkeit. Betriebsrundgang. Aufschlagen des Kopfes auf den Boden der Maschinenhalle
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses gemäß § 8 Abs 1 S 2 SGB 7 vorliegt, wenn ein Leiharbeiter während einer im Stehen und Gehen absolvierten Einweisung in einen neuen Betrieb eine Synkope erleidet.
2. Zur Frage der wesentlichen Verursachung einer während der Arbeit erlittenen Bewusstlosigkeit durch die betriebliche Tätigkeit gemäß § 8 Abs 1 S 1 SGB 7.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, § 10; SGG § 106
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 31. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.
Der 1994 geborene Kläger erlitt am 05.03.2012 einen Kreislaufkollaps, in dessen Folge vom 05.03.2012 bis 06.03.2012 Arbeitsunfähigkeit bestand. Am 14.04.2014 suchte er wegen frühmorgendlichen Schwindels und Drehschwindels sowie Erbrechens die Akutsprechstunde von Dr. Y.... auf. Diese stellte deswegen vom 17.04.2014 bis 25.04.2014 Arbeitsunfähigkeit fest.
Seit 2016 ist der Kläger als Leiharbeiter bei der X.... Personaldienstleistungen GmbH beschäftigt. Er wurde am 01.03.2018 gegen 06:40 Uhr während eines frühmorgendlichen Betriebsrundgangs zur Einweisung in eine neue Tätigkeitsstätte bei der W.... Fahrzeugteile GmbH infolge Schwindels bewusstlos und stürzte auf den Boden der Maschinenhalle. Dabei brachen drei Schneidezähne ab. Der Kläger befand sich unmittelbar danach in ambulanter Behandlung in der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie des Städtischen Klinikums A...., Standort V..... Dort äußerte der Kläger: "Sowas sei noch nie vorgekommen". Es wurde ein Verdacht auf eine vasovagale Synkope geäußert und eine weitere Abklärung der Ursachen der Synkope empfohlen. Die Hausärztin des Klägers Dr. D.... überwies den Kläger daraufhin zum Kardiologen und regte eine Laboruntersuchung an. Beiden Untersuchungen kam der Kläger nicht nach.
Am 01.03.2018 erfolgte die Unfallanzeige des Arbeitgebers. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.06.2018 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 01.03.2018 ab. Nach dem geschilderten Vorfall habe ein äußeres Ereignis nicht vorgelegen. Ursächlich für den Sturz sei eine körpereigene innere Ursache gewesen. Damit sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallhergang nicht gegeben. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 03.07.2018. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (≪BSG≫, Urteil vom 02.02.1999 - B 2 U 6/98 R) reiche ein Stresszustand aus, um als äußere Einwirkung zu gelten. Er habe am 01.03.2018 einen unbekannten Arbeitsplatz aufgesucht und sei langwierig stehend in die neue Arbeit eingewiesen worden. Das habe eine Stresssituation verursacht. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2018 zurück. Ursächlich für den Sturz sei kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis gewesen, sondern ein körpereigener innerer Vorgang. Die beschriebenen betrieblichen Umstände seien für den Eintritt des Schwindelzustandes so unbedeutend gewesen, dass sie außer Betracht bleiben könnten. Sie seien nicht annähernd geeignet gewesen, die innere Ursache wesentlich zu beeinflussen.
Sein Begehren hat der Kläger mit der am 30.11.2018 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Ursache des Schwindelanfalls seien eine schlechte Belüftung der Betriebsstätte mit Sauerstoff und ein für ihn unangenehmer Maschinengeruch, der zusätzliche Stressmomente ausgelöst habe, gewesen. Der Boden der Maschinenhalle sei ölig verschmiert gewesen. In der Halle hätten sich CNC-Maschinen befunden, die während der automatisierten Produktion beim Fräsen von Metallstücken ölhaltige Dämpfe freigesetzt hätten. Ein Luftabzug bzw. eine Luftaustauschvorrichtung seien nicht vorhanden gewesen. Alle Fenster seien aufgrund der frostigen Außentemperaturen von minus 9 Grad Celsius geschlossen gewesen. Der eingeatmete üble Geruch habe ihn in eine Stresssituation versetzt. Ausgasungen des Bohröls hätten auf ihn betäubend gewirkt, so dass seine Sinnesorgane versagt hätten, der Kreislauf zusammengebrochen sei und er den Schwindelanfall erlitten habe. Diese Vorortbedingungen seien im Verfahren - möglichst durch unangekündigte, spontane Begehung unter möglichst gleichen Außenbedingungen, d.h. bei ca. minus 10 Grad Celsius und seit längerem verschlossenen Fenstern - näher aufzuklären. Die Beklagte möge zudem Arbeitsschutznachweise für den 01.03.201...