Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit ehrenamtlicher Ortsvorsteher im Freistaat Sachsen. monatliche Aufwandsentschädigung. Anwendung der vom BSG entwickelten Grundsätze auch im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R = BSGE 124, 37 = SozR 4-2400 § 7 Nr 31 entwickelten Grundsätze sind auch im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung anwendbar.
2. Die Tätigkeit ehrenamtlicher Ortsvorsteher im Freistaat Sachsen ist keine solche sozialversicherungsrechtlicher Art.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 1.380,24 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen einer Betriebsprüfung.
Die Gemeinde X .. bestand aus den Ortsteilen X .. und W. Sie wurden am 1. Januar 1999 zu Ortsteilen der klagenden Stadt Z. Die Gemeinde V.. war bereits am 1. Januar 1994 zum Ortsteil der Klägerin geworden. Die Ortsteile X .. und W.. einerseits und der Ortsteil V.. andererseits verfügen jeweils über einen Ortschaftsrat. Die Ortschaftsräte wählen den Ortsvorsteher, der als Ehrenbeamter auf Zeit fungiert.
Der Beigeladene zu 1 war bis 31. Dezember 1998 Bürgermeister der Gemeinde X. In der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 war er Ortsvorsteher der Ortsteile X.. und W. Von Januar bis Dezember 2002 bezog er eine Aufwandsentschädigung von 249,26 EUR monatlich, von Januar 2003 bis Dezember 2004 eine solche von 249,25 EUR monatlich und von Januar 2005 bis Dezember 2005 eine solche von 221,25 EUR monatlich. Dabei handelte es sich jeweils um ein Viertel der Aufwandsentschädigung, die einem ehrenamtlichen Bürgermeister in Abhängigkeit von der jeweiligen Einwohnerzahl zustand.
Der Beigeladene zu 2 war in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. Juli 2004 Ortsvorsteher des Ortsteils V. Von Januar 2002 bis Dezember 2002 erhielt er eine Aufwandsentschädigung von 221,13 EUR monatlich, von Januar 2003 bis Juli 2004 eine solche von 221,25 EUR monatlich. Auch dabei handelte es sich jeweils um ein Viertel der Aufwandsentschädigung, die einem ehrenamtlichen Bürgermeister zustand.
Der Beigeladene zu 3 war in der Zeit vom 1. September 2004 bis 31. Dezember 2005 Ortsvorsteher des Ortsteils V.. und erhielt ebenfalls eine monatliche Aufwandsentschädigung von 221,25 EUR.
In der Zeit vom 17. Juli 2006 bis 6. November 2006 führte die Beklagte bei der Klägerin eine den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 betreffende Betriebsprüfung durch.
In der Schlussbesprechung vom 18. Juli 2006 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, die Ortsvorsteher der Ortsteile V.. einerseits und X .. sowie W.. andererseits hätten im Prüfzeitraum Aufwandsentschädigungen oberhalb der Freigrenze von 154,00 EUR monatlich erhalten. Bei dem übersteigenden Betrag habe es sich um beitragspflichtiges Entgelt gehandelt.
Mit Schreiben vom 6. November 2006 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.380,24 EUR an. Die Beigeladenen zu 1 bis 3 hätten als Ortsvorsteher neben repräsentativen Aufgaben auch Verwaltungsaufgaben wahrgenommen und damit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Der Ortsvorsteher sei nach § 68 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) gegenüber dem Bürgermeister und Beigeordneten weisungsgebunden. Das aus diesen Beschäftigungen erzielte Arbeitsentgelt sei - soweit es den steuerlich anzuerkennenden Aufwand von 154,00 EUR monatlich übersteige - pauschal zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung zu verbeitragen.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend, die ehrenamtlichen Ortsvorsteher hätten tatsächlich nur Repräsentationsaufgaben wahrgenommen. Den Ortschaftsräten sei nach den Eingemeindungen nur noch eine hinweisgebende Funktion zugekommen. Denn sämtliche Verwaltungsaufgaben seien mit den Eingemeindungen der Klägerin übergeben worden.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2006 setzte die Beklagte - im Wesentlichen unter Beibehaltung ihrer Argumentation im Anhörungsschreiben - für den Prüfzeitraum nachzuerhebende Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.380,24 EUR fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 18. Januar 2007 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, Ortsvorsteher seien keine Beschäftigten im Sinne des § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Das Weisungserteilungsrecht des Bürgermeisters gegenüber dem Ortsvorsteher im Sinne des § 68 SächsGemO sei nicht mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gleichzusetzen. Denn der Ortsvorsteher sei grundsätzlich nicht Arbeitnehmer de...