Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe in sonstigen Lebenslagen. Beschaffung eines neuen ausländischen Passes. keine unbenannte Bedarfslage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bestandteil des Regelbedarfs. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 14/17 R

 

Leitsatz (amtlich)

Seit Inkrafttreten des Regelbedarfsermittlungsgesetzes (juris: RBEG) vom 24.3.2011 (BGBl I 2011, 453) lässt § 73 SGB XII die Übernahme der Kosten, die Ausländern für die Passbeschaffung entstehen, nicht mehr zu (Anschluss an LSG Essen vom 18.5.2015 - L 20 SO 355/13 = ZFSH/SGB 2015, 533).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.05.2019; Aktenzeichen B 8 SO 14/17 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 5. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger ein Zuschuss für die Erneuerung seines Reisepasses zu bewilligen ist.

Der 1972 geborene, erwerbsfähige Kläger ist Staatsbürger der Demokratischen Republik Kongo und verfügt über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Er bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und verfügt nicht über nennenswertes Vermögen. Nachdem am 14.03.2015 die Gültigkeit des kongolesischen Reisepasses des Klägers abgelaufen war, forderte die Ausländerbehörde der Beklagten den Kläger mit Schreiben vom 20.03.2015 auf, ihr bis zum 15.06.2015 einen gültigen Pass vorzulegen, da anderenfalls eine Strafanzeige erfolgen und die Aufenthaltserlaubnis widerrufen werden könne. Daraufhin stellte der Kläger bei der Beklagten als örtlicher Trägerin der Sozialhilfe am 26.03.2015 einen Antrag auf Übernahme der dadurch entstehenden Kosten in Gestalt von Gebühren in Höhe von 155,00 € und der Hin- und Rückfahrt zur kongolesischen Botschaft in Berlin in Höhe von insgesamt 14,00 € als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.04.2015 ab, da die Notwendigkeit, Kosten für einen Reisepass sowie Fahrtkosten zur Botschaft aufzubringen, keine besondere, atypische Lebenslage oder Notlage mit Nähe zu den im Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelten Hilfeleistungen darstelle.

Dagegen legte der Kläger durch seinen späteren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21.04.2015 Widerspruch ein. Während des laufenden Widerspruchsverfahrens über-wies der Kläger am 03.08.2015 zur Begleichung der Ausstellungsgebühren für den neuen Pass (125,00 €), für eine Konsularkarte (30,00 €) und für eine “Bescheinigung zur Vorlage bei Behörden„ (15,00 €) einen Betrag von 170,00 € an die Botschaft der Demokratischen Republik Kongo. Am 13.08.2015 reiste der Kläger nach Berlin, um in der Botschaft den Reisepass zu beantragen. Dafür entstanden ihm Fahrtkosten in Höhe von 32,02 €. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten diesen Sachverhalt mit Schreiben vom 21.08.2015 mit und bat nunmehr darum, die dem Kläger entstandenen Kosten von insgesamt 202,02 € als Passbeschaffungskosten zu übernehmen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2015 als unbegründet zurück. Die beantragten Leistungen der Kosten für die Passbeschaffung stellten keine Leistungen im Sinne des § 73 SGB XII dar, weil es an einer besonderen atypischen Lebenslage fehle, die eine Übernahme dieser Kosten rechtfertige. Bei einer regelmäßigen Passverlängerung liege, auch wenn diese nur alle zehn Jahre stattfinde, eine typische Bedarfslage vor, die vorhersehbar sei und durch Rückstellungen finanzier- und kalkulierbar sei.

Dagegen hat der Kläger am 12.10.2015 Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben und ausgeführt, das Sächsische Landessozialgericht (LSG) habe jüngst durch Urteil vom 15.10.2014 - L 8 SO 99/12 - die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 73 SGB XII für Passbeschaffungskosten bestätigt. Er - der Kläger - könne auch nicht auf § 24 SGB II verwiesen werden, weil diese Vorschrift nur eingreife, wenn ein im Einzelfall vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensbedarfs umfasster Bedarf nicht gedeckt sei. Allerdings seien die Passbeschaffungskosten nicht im Regelsatz enthalten, denn umfasst würden dort nur die Kosten für einen Personalausweis, von denen sich Leistungsberechtigte befreien lassen könnten. Ähnliche Kosten für den Nachweis eines inländischen Wohnsitzes hätten auch Ausländer zu tragen, weil sie diese statt für einen Personalausweis für eine Aufenthaltskarte oder einen Aufenthaltstitel aufzuwenden hätten. Die darüber hinaus bestehenden Passbeschaffungskosten seien daher nicht im Regelsatz enthalten. Der Aufenthaltstitel müsse zudem alle drei Jahre verlängert werden, während ein Deutscher einen Personalausweis nur alle zehn Jahre benötige. Bei der Passbeschaffung handele es sich um eine verwaltungsrechtliche Pflicht, der sich die Ausländer nicht entz...

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