Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. richterliche Beweiswürdigung bei medizinischen Sachverhalten. Befangenheit eines Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur richterlichen Beweiswürdigung bei medizinischen Sachverhalten.
2. Zur Befangenheit eines Sachverständigen.
Orientierungssatz
Die medizinischen Sachverständigen unterliegen als Hilfspersonen des Gerichts zur Ermittlung medizinischer Sachverhalte zwar dem Weisungs- und Leitungsrecht des Gerichts nach § 202 SGG iVm § 404a Abs 1 ZPO. Dieses geht jedoch nicht so weit, dass in die gutachterliche Kerntätigkeit eingegriffen werden darf. Jedem medizinischen Sachverständigen obliegt es daher selbst zu bestimmen, welche Untersuchungen und diagnostische Maßnahmen er für die Beantwortung der Beweisfragen für erforderlich erachtet, und dies immer unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei der Begutachtung im Rentenversicherungsrecht um eine sog Zustandsbegutachtung handelt (vgl BSG vom 28.2.2017 - B 13 R 37/16 BH).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. März 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1962 geborene Kläger erlernte nach Abschluss der Schule von 1979 bis 1981 den Beruf eines Fleischers, war von 1981 bis 1985 als Maschinenarbeiter und Heizer, von 1986 bis 1988 als Hausmeister und ab dem 1.2.1989 freiberuflich als Berufsmusiker, Sänger, Pianist und Gitarrist tätig. Seit Februar 2011 ist er arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Bescheid des Landkreises M., Landratsamt, vom 27.10.2015 wurde beim Kläger mit Wirkung vom 22.1.2013 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt. Mit Bescheid der gleichen Behörde vom 16.8.2017 in Fassung des Teilabhilfebescheides vom 9.11.2017 wurden mit Wirkung ab dem 27.6.2017 ein GdB von 100 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen G und B zuerkannt.
Am 22.1.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten medizinische Unterlagen über den Kläger aus einem vorangegangenen Reha-Verfahren (u. a. der ärztliche Entlassungsbericht der Klinik Z., Zentrum für Verhaltensmedizin B., vom 18.1.2013 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 3.12.2012 bis zum 4.1.2013, Diagnosen: Angst und depressive Störung gemischt, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Restless-Legs-Syndrom, Adipositas; Leistungsbeurteilung: der Kläger könne als selbstständiger Musiker nur noch drei Stunden arbeitstäglich arbeiten; im Übrigen könne er mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden verrichten) vor.
Mit Bescheid vom 25.2.2013 und Widerspruchsbescheid vom 6.6.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die beim Kläger vorliegenden Krankheiten oder Behinderungen „psychische Minderbelastbarkeit bei Depression und Angststörungen“ führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Nach der medizinischen Beurteilung könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit mittelschweren Tätigkeiten bei weiteren Funktionseinschränkungen erwerbstätig sein.
Hiergegen hat sich die am 5.7.2013 zum Sozialgericht Chemnitz erhobene Klage gerichtet. Soweit die Beklagte ihre Entscheidung auf den Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 18.1.2013 stütze, könne sie damit nicht gehört werden. Nach Ansicht des Klägers weise der Entlassungsbericht seine vier Krankheiten Angst- und depressive Störung gemischt, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Restless-Legs-Syndrom sowie Adipositas aus, während im Ausgangsbescheid lediglich eine dieser Erkrankungen aufgeführt sei. Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik werde zudem zum Leistungsvermögen u. a. angegeben, dass allenfalls strukturierte Tätigkeiten denkbar seien und dass das Leistungsvermögen erst absehbar wieder mindestens sechs Stunden täglich betragen werde. Der Entlassungsbericht vom 18.1.2013 lege keinesfalls fest, dass es dem Kläger wieder möglich sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Im Übrigen sei der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden. Angesichts der Vielzahl der bestehenden Funktionseinschränkungen, insbesondere auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, sei eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung unumgänglich.
Dem Sozialgericht haben eine Auskunft der Krankenkasse Y. vom 4.12.2013 über Krankenhaus- und Arbeitsunfähigkeitszeiten ...