Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Heizkostenerstattung. Einkommen. Aufrechnung des Erstattungsanspruchs mit Leistungsanspruch. Entscheidung durch Gerichtsbescheid bei gleichzeitiger Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Verfahrensmangel. Aufrechnung des SGB 2-Leistungsträgers mit Erstattungsansprüchen gegenüber dem Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen
Leitsatz (redaktionell)
Entscheidet ein Kammervorsitzender als Einzelrichter ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter mittels Gerichtsbescheid, misst er der Rechtssache jedoch zugleich grundsätzliche Bedeutung zu und lässt er in dem Gerichtsbescheid die Berufung wegen des Berufungszulassungsgrundes nach § 144 Abs. 2 Satz 1 SGG zu, verkennt er die Voraussetzungen der Kompetenzregelung des § 105 Abs. 1 SGG iVm § 12 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGG. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar.
Eine Heizkostenerstattung kann nur im Monat des Zuflusses oder allenfalls im darauffolgenden Monat, jedenfalls aber nicht später angerechnet werden.
Beabsichtigt ein Leistungsträger die Aufrechnung mit einem eigenen Erstattungsanspruch, muss er die ursprüngliche Bewillligung der zu erstattenden Leistungen vorher ausdrücklich aufheben. Bei der Aufrechnung hat er zu beachten, dass § 43 SGB II gegenüber § 51 SGB I die speziellere Vorschrift für die Aufrechnung des Grundsicherungsträgers mit Erstattungsansprüchen gegenüber dem Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen nach dem SGB II ist.
Orientierungssatz
1. Hat die Kammer des Sozialgerichts nach Auffassung ihres Vorsitzenden in einem Rechtsstreit über eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage zu entscheiden, so weist die Rechtssache deshalb besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art auf, die eine Entscheidung durch den Einzelrichter ausschließt. Entscheidet er dennoch durch Gerichtsbescheid, so wird der grundrechtliche Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt.
2. Für die Aufrechnung des Grundsicherungsträgers mit Erstattungsansprüchen gegenüber dem Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen nach dem SGB 2 enthält § 43 SGB 2 eine gegenüber § 51 SGB 1 speziellere Vorschrift. § 43 SGB 2 setzt nämlich voraus, dass der Erstattungsanspruch durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst wurde.
Normenkette
SGG § 12 Abs. 1 S. 2 Alt. 2, § 105 Abs. 1, § 159 Abs. 1 Nr. 2; SGB I § 51; SGB II § 43
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. Oktober 2006 und der Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 aufgehoben, soweit für Februar 2006 weniger als 623,05 EUR Arbeitslosengeld II bewilligt wurde.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung einer Heizkostenerstattung in Höhe von 278,33 EUR auf seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Der 1966 geborene Kläger lebt seit seiner Scheidung 1996 allein in einer 68,30 m² großen 3-Raum-Wohnung zuzüglich Küche und Bad, für die er monatlich eine Nettokaltmiete von 206,44 EUR, kalte Betriebskosten von 58,98 EUR und - zunächst - Heizkosten von 42,73 EUR, insgesamt mithin 308,15 EUR monatlich zahlte. Neben einem Girokonto über 228,41 EUR, einem Sparbuch über 1.017,13 EUR und einem weiteren Sparbuch über 1,63 EUR sowie einem mehr als 12 Jahre alten Pkw Renault 19 verfügte er über kein Vermögen. Einkommen bezog er ebenfalls nicht. Jedoch wendete er für die Kfz-Haftpflichtversicherung des Renault monatlich 28,88 EUR sowie für eine private Hausrat- und eine private Haftpflichtversicherung insgesamt 9,85 EUR monatlich auf. Die Beklagte bewilligte ihm deshalb zunächst bis 30. September 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von 630,97 EUR monatlich, bestehend aus 331,00 EUR Regelleistung zuzüglich 308,15 EUR Unterkunfts- und Heizkosten abzüglich einer Warmwasserpauschale von 8,18 EUR). Da sich bei der Folgeantragstellung am 13. September 2005 keine Änderung ergab, bewilligte ihm die Beklagte auch vom 1. Oktober 2005 bis 28. Februar 2006 mit Bescheid vom 16. September 2005 unverändert Arbeitslosengeld II in Höhe von 630,97 EUR monatlich.
Am 22. Dezember 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sich ab 1. Januar 2006 die Heizkostenvorauszahlung verringere und er nur noch Unterkunfts- und Heizkosten von insgesamt 300,23 EUR monatlich zahlen müsse. Nach der vorgelegten, hierfür maßgeblichen Heizkostenabrechnung für das Jahr 2004 war außerdem ein Guthaben in Höhe von 278,33 EUR entstanden, das dem Girokonto des Klägers durch Überweisung am 20. Dezember 2005 gutgeschrieben wurde.
Hierauf erließ die Beklagte ohne vorherige Anhörung am 28. Dezember 2005 einen Änderungsbescheid, mit dem sie dem Kläger f...