Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Leistungserbringung im Bereich der Informationstechnologie. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Anforderungen an eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit im Sinne von § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB 4
Leitsatz (amtlich)
1. Fehlen typische Merkmale einer abhängigen Beschäftigung wie zB festes Monatsgehalt, Urlaubsregelungen und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, so bedeutet dies nicht zwingend, dass bereits deshalb keine abhängige Beschäftigung vorliegt.
2. Bedarf die nach einem Vertrag geschuldete Leistung eines IT-Spezialisten noch näherer Konkretisierung durch den Betrieb und den Endkunden, spricht die dadurch erforderliche Eingliederung des IT-Spezialisten in diesen Betrieb für eine abhängige Beschäftigung.
3. Zu den Anforderungen der Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit im Sinne von § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Januar 2013 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten in beiden Rechtszügen - mit Ausnahme derjenigen des Beigeladenen zu 1 - zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1 in der Zeit vom 13. Mai 2008 bis 18. September 2009 bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Die Klägerin ist ein mittelständisches Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen mit Hauptsitz in A. Sie erbringt Dienstleistungen bei der Planung, Realisierung und Betreuung von Projekten im Bereich der Informationstechnologie.
Der 1967 geborene Beigeladene zu 1 betreibt seit 18. November 2004 als Selbstständiger ein Einzelunternehmen im Bereich der IT-Beratung. Der letzte Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung wurde für ihn für November 2004 gezahlt. Vor und nach seiner Tätigkeit für die Klägerin war er auch für weitere Unternehmen tätig. In dem streitgegenständlichen Zeitraum war er ausschließlich für die Klägerin tätig und zwar auf der Grundlage von folgenden Verträgen:
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Zeitraum |
Vertrag |
Einsatzort |
Bemerkung |
13.05.08- 31.12.08 |
05.05.08 |
Deutsche Post Y. |
geplanter zeitlicher Umfang: 162 Tage, 1.296 Projektstunden; wurde storniert zum 15.08.08 |
01.09.08- 31.12.08 |
15.08.08 |
IBM Deutschland X. |
geplanter zeitlicher Umfang: 640 Personenstunden; wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Beigeladener zu 1 erhielt für die Zeit 01.09.08 bis 03.09.08 3 x 200,00 EUR wegen Projektbindung |
16.09.08- 30.06.09 |
12.09.08 |
Deutsches Patentamt W. |
geplanter zeitlicher Umfang: 200 Tage, 1.600 Projektstunden |
01.07.09- 31.08.09 |
29.06.09 |
Deutsches Patentamt W. |
geplanter zeitlicher Umfang: 44 Tage, 352 Projektstunden |
01.09.09- 18.09.09 |
01.09.09 |
Deutsches Patentamt W. |
geplanter zeitlicher Umfang: 127 Projektstunden |
Grundlage der Tätigkeit war jeweils ein als "Beauftragung" bezeichneter Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. Die Vertragsbestimmungen waren in den wesentlichen Punkten identisch. So heißt es etwa in der "Beauftragung" vom 12. September 2008 auszugsweise:
"Hiermit beauftragt V. EDV Service GmbH (nachfolgend “Auftraggeber„ genannt) die Firma IT-Service C. (nachfolgend “Auftragnehmer„ genannt) die im Kapitel Leistungsbeschreibung definierten und beschriebenen Beratungs- und Dienstleistungen zu den nachfolgend genannten Vertragsbedingungen zu erbringen.
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Auftragsnummer: |
JPL41209082 |
Geplanter Leistungszeitraum: |
16.09.08 - 30.06.09 mit Option auf Verlängerung |
Geplanter Leistungsumfang: |
200 Tage, 1600 Projektstunden |
Stundensatz: |
65,00 € |
Nebenkosten: |
all inclusive |
Gesamtvolumen: |
104.000,00 € |
Einsatzort: |
W., Deutsches Patentamt |
Leistungsbeschreibung: |
Oracle Datenbank Optimierung/DB Administration - Import/Export - Tabellendesign - Querydesign - Optimierung von SQL Statements - Coaching |
Die Leistung wird als Dienstleistung erbracht - Basis dafür sind die von der IBM Projektleitung geplanten und terminierten Inhalte und Aktionen.
Vertragsbedingungen:
1. Gegenstand des Vertrages (Beauftragung)/Leistungsumfang
a) Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer, die unter dem Punkt “Leistungsbeschreibung„ näher beschriebenen Beratungs- und Dienstleistungen zu erbringen.
b) Der angegebene geplante Leistungszeitraum und der geplante Leistungsumfang sind nicht zwingend. Der Auftragnehmer hat keinen Anspruch auf die maximale Vergütung. Der Auftraggeber ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, den geplanten Leistungsumfang voll auszuschöpfen.
c) Der vereinbarte Stundensatz gilt unabhängig davon, an welchen Tagen, zu welcher Tageszeit, in welchem Umfang und an welchem Ort die Arbeiten durchgeführt werden.
d) Der Auftragnehmer wird für den Auftraggeber als freier Mitarbeiter tätig. Ein Anstellungsverhältnis wird nic...