Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Neufeststellung. GdB von 50. Erforderlichkeit der konkreten Darlegung einer Verschlechterung des Gesundheitszustands. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Ablehnung einer GdB-Erhöhung durch Bescheid. Regelungsgehalt. keine erneute Festsetzung des GdB. geringerer GdB nach erneuter Prüfung. Vermutung der Gesundheitsverbesserung. kein Beleg für Unrichtigkeit der ursprünglichen GdB-Feststellung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Mitberücksichtigung von üblichen Schmerzen. Abgrenzung zur über das übliche Maß hinausgehenden Schmerzhaftigkeit. Erfordernis der ärztlichen Behandlung. lokalisierte Schmerzen mit Organbezug. keine zusätzliche Berücksichtigung als somatoformes Schmerz- oder Fibromyalgie-Syndrom
Orientierungssatz
1. Allein die pauschale Behauptung bzw ein "Für-möglich-Halten" einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands ersetzt nicht deren konkrete Darlegung.
2. Ein Bescheid, mit dem die Feststellung eines (höheren) GdB oder Nachteilsausgleichs abgelehnt wird, erschöpft sich in der Regel in der Ablehnung und trifft keine eigenständige Regelung.
3. Ohnehin besteht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl BSG vom 10.2.1993 - 9/9a RVs 5/91 = SozR 3-1300 § 48 Nr 25) eine Vermutung dafür, dass die nachteiligen Auswirkungen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands geringer geworden und nicht ursprünglich unrichtig bewertet worden sind, wenn sie aktuell wesentlich geringer bewertet werden als in einem zuvor erlassenen Bescheid.
4. Zur Neufeststellung des Grads der Behinderung (GdB) nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG) in der Anlage zu § 2 VersMedV, insbesondere Teil B Nr 18.2.1 (entzündlich-rheumatische Krankheit) und Teil B Nr 4.5 (Endometriose).
5. Die in der VMG-Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Höhere Werte könnten nur angesetzt werden, wenn eine nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen wäre, die eine ärztliche Behandlung erfordert (Teil A Nr 2 Buchst j VMG).
6. Bei lokalisierten Schmerzen mit Organbezug kommt die zusätzliche Berücksichtigung der Schmerzen als somatoformes Schmerzsyndrom oder Fibromyalgie-Syndrom nach Teil B Nr 3.7 oder Nr 18.4 VMG nicht in Betracht.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 24.05.2022 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Absenkung des GdB von 50 auf 30 sowie die Entziehung des Merkzeichens G und begehrt (weiterhin) die Feststellung eines GdB von 50 sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G.
Bei der 1969 geborenen Klägerin wurde mit Bescheid vom 19.06.1995 wegen chronischer Polyarthritis ein GdB von 30 zuerkannt. Mit Änderungsbescheid vom 18.04.2001 wurde wegen einer entzündlich rheumatischen Erkrankung der Gelenke und Osteoporose ein GdB von 50 festgestellt sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G. Am 09.01.2007 beantragte die Klägerin die Erhöhung des GdB. Chronisches Asthma sei seit Dezember 2005 neu aufgetreten. Dr. Y., Fachärztin für Innere Medizin, teilte am 15.01.2014 mit, es liege juvenile chronische Polyarthritis mit multipler Gelenkbeteiligung und zahlreichen radiologischen Veränderungen vor. Die Basistherapie mit MTX sei 2005 beendet worden wegen Kinderwunsch. Therapie mit Prednisolon und Diclofenac . Seit Jahren keine entzündlichen Veränderungen, aber Einschränkung der Extension und Flexion rechtes Handgelenk, rechter Ellbogen Streckung nur bis 150 Grad, Beugung 120 Grad. Mit Bescheid vom 26.07.2007 lehnte das Amt für Familie und Soziales A. diesen Erhöhungsantrag ab. Zwar sei die Funktionsbeeinträchtigung Bronchialasthma neu hinzugekommen, hierdurch ändere sich der Gesamt-GdB nicht.
Am 26.11.2013 beantragte die Klägerin erneut die Erhöhung des GdB, die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen, wegen fortschreitender Arthrose in beiden Knien, Arme, Hüfte, Hände, Füße und Bewegungseinschränkungen rechter Arm und beider Knie. Sie habe ständige Schmerzen in den Gelenken, einen Gichtanfall im linken Knie sowie Endometriose im Unterleib. Sie begehre das Merkzeichen "aG". Dr. Y., Fachärztin für Innere Medizin, teilte am 15.01.2014 mit, die Basistherapie mit MTX sei 2005 beendet worden wegen Kinderwunsch. Bisher keine erneute Indikation zur Basistherapie, da keine akut entzündlichen Schübe. Aber erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit beider Ellenbogen, rechtes Handgelenk. Rezidivierende springende Schmerzen in unterschiedlichen ...