Verfahrensgang
SG Leipzig (Urteil vom 27.02.1995; Aktenzeichen S 6 Al 448/93) |
Tenor
I. Auf die Berufung werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 27. Februar 1995 und die Bescheide vom 06.05.1993 sowie vom 10.08.1993 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 15.12.1992 für die gesetzliche Dauer zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld, hilfsweise auf Arbeitslosenhilfe, ab dem 15.12.1992 streitig.
Der Kläger, aus der früheren UdSSR stammender russischer Jude, ist Mitte 1990 in das Gebiet der damaligen DDR eingereist. Vor seiner Ausreise war er ab September 1979 durchgehend als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Kiew beschäftigt gewesen. Seit dem 10.07.1990 war er in dem Aufnahmelager Klostermansfeld (Sachsen-Anhalt) untergebracht. Nach seinen eigenen Angaben ist er im Februar 1991 als sogenannter Kontingentflüchtling anerkannt worden. Ab dem 25.10.1990 besuchte der Kläger auf Vermittlung der Leitung des Aufnahmelagers einen Deutsch-Sprachlehrgang für Aussiedler, Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge an der Pädagogischen Hochschule in Leipzig; Ab dem 01.04.1991 gewährte ihm das Arbeitsamt Leipzig für die Restdauer des Sprachkurses bis zum 28.06.1991 Eingliederungsgeld gem. § 62 c AFG (EggSA).
Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit nahm der Kläger vom 11.11.1991 bis 14.12.1992 an einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme zum Organisationsprogrammierer teil, für welche ihm die Beklagte mit Bescheid vom 02.06.1992 Unterhaltsgeld aus dem Europäischen Sozialfonds (Uhg-ESF) gewährte.
Einen Antrag des Klägers vom 14.12.1992 auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 15.12.1992 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.05.1993 ab. Die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistung seien nicht erfüllt. Nach einem Bezug von Uhg-ESF stehe Arbeitslosenhilfe nur Aussiedlern im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVG) zu. Den gegen diesen Bescheid am 10.05.1993 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.1993 mit der gleichen Begründung zurück.
Zur Begründung der gegen die Ablehnungsbescheide am 06.09.1993 zum Sozialgericht Leipzig erhobenen Klage hat der Kläger zunächst auf Auskünfte von Mitarbeitern des. Arbeitsamtes Leipzig hingewiesen, nach welchen ihm Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe zustehe. Weiterhin hat er ergänzend vorgetragen, der Bezug von Uhg-ESF müsse als eine für den Erwerb eines Anspruchs auf Leistungen nach dem AFG gleichgestellte Zeit i.S.v. § 107 AFG (gleich)behandelt werden. Dies ergebe sich aus den „Richtlinien für aus Mitteln des ESF mitfinanzierte zusätzliche Maßnahmen zur arbeitsmarktpolitischen Flankierung der Strukturanpassungen im Beitrittsgebiet” des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, durch welche der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt werde und welche als Verordnung i.S.v. § 3 Abs. 5 AFG anzusehen seien.
Mit Urteil vom 27.02.1995 hat das Sozialgericht Leipzig die Klage als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger stehe weder ein Anspruch auf Arbeitslosengeld noch auf Arbeitslosenhilfe zu, da er die dafür geforderten Anwartschaftzeiten nicht erfülle. Der hierbei allein in Betracht kommende Bezug von Uhg-ESF sei nicht als gemäß § 107 Satz 1 Nr. 5 d AFG für den Anwartschaftserwerb gleichzustellende Zeit anzusehen. Zwar sei § 2 Abs. 8 ESF-Richtlinien, welcher bestimme, daß die Vorschriften des AFG über das Unterhaltsgeld entsprechend gelten, soweit die Besonderheiten der ESF-Richtlinien dem nicht entgegenstehen, als eine Regelung anzusehen, durch die die Vorschriften über das Unterhaltsgeld nach dem AFG für entsprechend anwendbar erklärt werden, jedoch handele es sich dabei nicht um Vorschriften, die Bestandteil einer Rechtsverordnung i.S.v. § 3 Abs. 5 AFG seien. Die ESF-Richtlinien seien durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ersichtlich auf der Grundlage von § 3 Abs. 5 2. Halbsatz AFG erlassen worden und damit Grundlage für den Abschluß der ESF-Vereinbarung vom 02.07.1991 gewesen, durch welche der Bundesanstalt für Arbeit die Durchführung der auch vom Kläger besuchten, aus Mitteln des ESF mitfinanzierten Arbeitsmarktmaßnahme, übertragen worden sei. Die ESF-Vereinbarung sei aber gerade keine Rechtsverordnung i.S.v. § 3 Abs. 5 1. Halbsatz AFG. Eine abweichende rechtliche Bewertung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Urteil des BSG vom 14.07.1994 (7 RAr 28/93) dargelegten Erwägungen über die Weitergeltung der 16. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Gewährung von Anpassungsbeihilfen) vom 13.04.1962 gemäß § 242 Abs. 3 AFG. Selbst wenn der Auffassung des BSG in dieser Frage gefolgt werde, ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld, da sich daraus nicht ableiten lasse, daß die 16. DV...