Orientierungssatz
Zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung einer Agrotechnikerin und Mechanisatorin als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 2110.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19.09.2002 und der Bescheid der Beklagten vom 21.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2000 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass bei der Klägerin ab 05.08.1996 eine Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin wegen dieser Berufskrankheit ab 20.12.2004 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem Wirbelsäulenleiden der Klägerin um eine Berufskrankheit (BK) handelt.
Die am … 1962 geborene Klägerin erlernte vom 01.09.1978 bis Juli 1980 den Beruf der Agrotechnikerin/Mechanisatorin und arbeitete nachfolgend bis März 1989 und von März 1990 bis zum 04.08.1996 im erlernten Beruf, überwiegend als Traktoristin und LKW-Fahrerin. Anschließend bezog die Klägerin 78 Wochen Krankengeld und danach Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Vom 23.05.2000 bis zum 26.08.2001 erfolgte auf Kosten der LVA Sachsen eine Umschulung zur Bürokauffrau. Hiernach war die Klägerin vom 30.08.2001 bis 31.08.2003 erneut arbeitslos. Seit 27.08.2001 bezieht die Klägerin aufgrund eines Bescheides vom 23.07.2003 eine Berufsunfähigkeitsrente. Die Klägerin führt seit 22.01.2003 zwei Stunden täglich an den Werktagen Reinigungsarbeiten durch.
Die Klägerin litt seit Anfang der achtziger Jahre zunächst unter sporadisch auftretenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule (LWS) und seit September 1995 unter andauernden LWS-Beschwerden. Ausweislich ihres Sozialversicherungsausweises erfolgten bis 1990 keine ärztlichen Behandlungen wegen Wirbelsäulenbeschwerden. Nach einer Stellungnahme der AOK Sachsen, G., war die Klägerin vom 03.01.1994 bis 07.01.1994 u. a. wegen einer Lumboischialgie, vom 19.09.1995 bis 10.11.1995 wegen eines LWS-Syndroms und einer Lumboischialgie und vom 05.08.1996 bis 12.12.1997 wegen derselben Diagnose und wegen eines Bandscheibenprolapses bis zur Erschöpfung des Krankengeldanspruchs arbeitsunfähig geschrieben.
Die am 24.10.1995 durchgeführte Computertomographie (CT) ergab einen flachen Prolaps im Segment L4/5 und eine geringe Protrusion im Segment L5/S1. Das am 06.08.1996 durchgeführte CT erbrachte den Befund eines Bandscheibenprolapses auch im Segment L5/S1 (Grenzbefund zwischen Protrusion und flachem Prolaps). Daraufhin erfolgte am 09.10.1996 eine Nukleotomie und Prolapsentfernung in diesem Segment. Die Magnetresonanztomographie (MRT) vom 21.05.1997 bestätigte den weiteren Prolaps im Segment L4/5 mit deutlichen narbigen Veränderungen im Spinalkanal. Bei der MRT-Untersuchung vom 09.09.1999 wurde eine diskrete Bandscheibenprotrusion im Segment L4/5 festgestellt. Am Segment L5/S1 war kein Re- oder Restprolaps nachweisbar. Es bestanden jedoch deutliche Narbenstrukturen mit Ummauerung der linken Nervenwurzel des Segments L5/S1. Die CT-Untersuchung vom 21.11.2002 ergab, dass die Zwischenwirbelräume der Segmente L3/4 und L4/5 nicht höhengemindert, der Zwischenwirbelraum L5/S1 jedoch in der Höhe gemindert war. Am Segment L3/4 war eine leichte Protrusion ohne kompressive Wirkung, am Segment L4/5 ein kleiner Bandscheibenvorfall mit kompressiver Wirkung und am Segment L5/S1 eine deutliche knöcherne Neuroforameneinengung vorhanden. Zwischen Narbengewebe und einem Reprolaps konnten die die Auswertung vornehmenden Radiologen Z1 und Dr. W1 nicht differenzieren.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chirurg Dr. O1 am 22.10.1998 nach Untersuchung der Klägerin ein Gutachten. Bei der Klägerin bestehe eine präsakrale Gefügestörung mit einer diskreten Wurzelreizsymptomatik links und ein mäßiges zervikales Syndrom der oberen und mittleren HWS. Die Anerkennung der BK-Nrn. 2108 bzw. 2110 BKV könne nicht empfohlen werden, da der Krankheitsverlauf und der Befund mit klinischem Betroffensein auch der HWS und monosegmentalem Prolaps der LWS für eine vorwiegend endogen verursachte Erkrankung spreche. Der Arbeitsmediziner Dr. N1 nahm am 30.10.1998 gewerbeärztlich Stellung. Zwar seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK-Nr. 2110 BKV erfüllt, jedoch lägen die medizinischen Voraussetzungen nicht vor. Der vorliegende medizinische Befund spreche eher gegen eine BK, weil kein belastungstypisches Schadensbild vorliege.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.04.1999 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil bei der Klägerin keine BK vorhanden sei. Zwar sei die haftungsbegründende Kausalität, nicht jedoch die haftungsausfüllende Kausalität für eine BK-Nr. 2110 BKV gegeben. Gegen das Vorliegen einer BK spreche der frühe Beschwerdebeginn wenige Jahre nach Tätigkeitsaufna...