Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Arbeitsentgelt. zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau. Steuerfreiheit. Bergmannsprämie. Glaubhaftmachung
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV und damit iS des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung in Form der erbrachten ununterbrochenen Tätigkeit in einem Bergbaubetrieb, damit also in Form von erbrachter Berufstreue und Pflichterfüllung, handelte.
2. Die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau waren nicht nach der am 1.8.1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei iS des § 17 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IV iVm § 1 ArEV. Ein bundesrepublikanischer Tatbestand des Steuerrechts, der die Steuerfreiheit der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau regeln würde, liegt nicht vor. Der Steuerbefreiungstatbestand des § 3 Nr 46 EStG, der am 1.8.1991 galt, greift nicht; und zwar weder direkt noch analog.
Orientierungssatz
1. Zum Leitsatz 1 vgl LSG Chemnitz vom 5.7.2016 - L 5 RS 166/14 = juris RdNr 49, LSG Halle vom 27.8.2015 - L 1 RS 23/13 = juris RdNr 17, SG Dresden vom 30.11.2009 - S 24 R 628/08 = juris RdNr 25 und LSG Berlin-Potsdam vom 19.11.2015 - L 22 R 588/13 = juris RdNr 32 sowie vom 22.3.2012 - L 31 R 1225/09 = juris RdNr 20.
2. Zur Höhe der in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau.
3. Zur Glaubhaftmachung der in der DDR gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau.
Normenkette
AAÜG § 8 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 14 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ArEV § 1; EStG § 3 Nr. 46; SGB X § 23 Abs. 1 S. 2
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten - im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens - über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des verstorbenen Ehemannes der Klägerin für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1967 bis 1989 in Form der Einbeziehung jährlicher zusätzlicher Belohnungen für Werktätige im Bergbau festzustellen.
Der am … 1927 geborene, mit der Klägerin verheiratete und am … 2015 verstorbene A... (nachfolgend: Versicherter) erlernte von April 1946 bis März 1948 in der Grube “E.„ der Verwaltung der Kohleindustrie Sachsen den Beruf des Betriebselektrikers und war von April 1948 bis Dezember 1966 als Elektriker, Konstrukteur, Obermaschinist und Meister im volkseigenen Betrieb (VEB) Braunkohlenwerk “J...„ L... beschäftigt. Nach einem Ingenieurschul-Abendstudium in der Fachrichtung Elektrotechnik an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Z... in der Zeit von September 1961 bis Oktober 1966 wurde ihm mit Urkunde vom 4. Oktober 1966 die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung “Ingenieur„ verliehen. Er war von Januar 1967 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Abschnittsleiter für Elektroenergieerzeugung, Ingenieur für Maschinen- und Kraftwerksanlagen, Abschnittsleiter für Energieerzeugung, Ingenieur für Elektroenergieanlagen, Entwicklungstechnologe und Operativtechnologe im VEB Braunkohlenwerk “J...„ L... bzw. im unmittelbaren Rechtsnachfolgebetrieb, dem VEB Braunkohlenwerk “G...„ K... (Kombinatsbetriebe des volkseigenen [VE] Braunkohlenkombinats C...) beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungszusage und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.
Auf seinen Antrag stellte die Beklagte, nach Beiziehung einer Entgeltbescheinigung der Firma DISOS GmbH vom 8. Oktober 2001, mit Bescheid vom 31. Oktober 2001 die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Oktober 1966 bis 10. April 1978 und vom 1. Juli 1978 bis 30. Juni 1990 als “nachgewiesene Zeiten„ der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest.
Mit am 23. Januar 2012 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 20. Januar 2012 beantragte er die Überprüfung seiner Zusatzversorgungsanwartschaften unter Einbeziehung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau (“Bergmannstreuegelder„) und Jahresendprämien als Arbeitsentgelt. Seinem Antrag fügte er eine schriftliche Erklärung der Zeugen P... (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats C...) und Dr. W... (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats C...) vom 11. und 26. April 2010 zu in den Kombinatsbetrieben gezahlten Jahresendprämien und zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im...