Rz. 37
Durch eine Potenzialanalyse (Profiling) sollen frühzeitig Beschäftigungschancen und Beschäftigungsrisiken festgestellt werden. Seit dem 1.8.2016 ist die Potenzialanalyse bei den Vorschriften zur Eingliederungsvereinbarung als § 15 Abs. 1 eingefügt und bei Einführung des Bürgergeldes auch beibehalten worden. Damit wird die Einheit der Analyse und des Kooperationsplanes im Integrationsprozess deutlicher herausgehoben. Es sind die für die Vermittlung erforderlichen Merkmale des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, um seine beruflichen Fähigkeiten und seine Eignung festzustellen (zielorientierte Stärken- und Schwächenanalyse). Die Neufassung des § 15 Abs. 1 zum 1.7.2023 nimmt die Feststellung auch der Stärken der leistungsberechtigten Person in den Wortlaut der Vorschrift auf. Ein Profiling legt berufliche Eingliederungshindernisse und die Ursachen dafür offen. Vorteil des Profilings ist die systematische und strukturierte Datenaufnahme und Analyse sowie die Dokumentation in den für den Arbeitsuchenden geführten Unterlagen. Gegenstand von Profilings sind regelmäßig die Qualifikation des Arbeitsuchenden (marktbezogene Ausbildung, fachliche Kenntnisse, Art und Dauer bisheriger Berufserfahrung, Sprachkenntnisse u. a.), seine Mobilität und Flexibilität (Verkehrsanbindung, Kfz/Führerschein), überregionale Mobilität, Berufswünsche und berufliche Alternativen, Arbeitsbedingungen (Gehaltsvorstellungen, Arbeitszeiten usw.), das physische und psychische Leistungsvermögen sowie die Motivation und das Verhalten des Leistungsberechtigten (Eigenbemühungen, Bildungsbereitschaft, Erscheinungsbild). Bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende muss das Profiling stets auch die Bedarfsgemeinschaft insgesamt im Blick haben, für Beratungsgespräche mit allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ist deren Einwilligung erforderlich.
Rz. 37a
Werden die Integrationsbemühungen voraussichtlich auf eine Ausbildung ausgerichtet, sind schulische Kenntnisse und erreichte Schulabschlüsse einzubeziehen. Das gilt insbesondere, nachdem das Erreichen einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Fokus der Arbeitsmarktpolitik steht, weil damit noch am ehesten den negativen Folgen von Digitalisierung für die eigene Beschäftigungsfähigkeit begegnet werden kann und zudem durch das Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung u. a. ein Rechtsanspruch auf den nachträglichen Erwerb einer abgeschlossenen Berufsausbildung in das Gesetz aufgenommen wurde (vgl. § 81 Abs. 2 SGB III n. F.). Profilings sind stets in Beziehung zum jeweiligen Arbeits- bzw. Ausbildungsmarkt zu setzen. Die einzelnen Kriterien werden schematisch günstig, ungünstig oder neutral (ohne besonderen Einfluss auf den Integrationserfolg) bewertet. Aus den Ergebnissen des Profilings werden individuelle Vermittlungs- oder Integrationsstrategien und die erforderlichen Maßnahmen entwickelt. Sie gehen in den Kooperationsplan ein (vgl. Komm. zu § 15). Sie werden häufig auch mit einer Orientierungs- und Entscheidungsberatung zu verknüpfen sein.
Rz. 37b
Im Verantwortungsbereich der Bundesagentur für Arbeit und damit jedenfalls in den Jobcentern der gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b setzt sich das Profiling aus der Stärkenanalyse mit dem beruflichen Werdegang, erworbenen Qualifikationen, Kenntnissen und Fertigkeiten sowie vorhandener persönlicher Stärken und der Potenzialanalyse mit dem persönlichen Profil und dem Umwelt-Profil des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zusammen. Persönliche Stärken werden nach Methodenkompetenz, Aktivitäts- und Umsetzungskompetenz, sozial-kommunikativer Kompetenz und personaler Kompetenz überwiegend aus der Selbstdarstellung des Leistungsberechtigten erhoben. Die Potenzialanalyse berücksichtigt die Qualifikation, die Leistungsfähigkeit und die Motivation des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und bezieht die Rahmenbedingungen und die Bedingungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes ein. Die Beratung der Leistungsberechtigten und der Geschäftsprozess der Integrationsarbeit sind systematisch aufeinander bezogen. Das 4-Phasen-Modell beschreibt das "Was?" der Integrationsarbeit, die Beratungskonzeption SGB II das "Wie?". Bei aller Systematik, die nachfolgend noch dargestellt wird, darf nicht verkannt werden, dass es auch bei dem 4-Phasen-Modell Risiken gibt, Kompetenzen falsch einzuschätzen oder falschen Kriterien zuzuordnen. Mitentscheidend ist der verfügbare Zeitrahmen, der für die Analyse zur Verfügung steht, und der so bemessen sein muss, dass nicht nur eine eilige Zu- und Einordnung aufgrund oberflächlicher, möglicherweise nicht auf Plausibilität überprüfter Angaben des Leistungsberechtigten erfolgt.
Wie schon zuvor müssen nach § 15 Abs. 1 Tatsachen, über die die Agentur für Arbeit nach § 9a Satz 2 Nr. 2 SGB III unterrichtet wird, nicht erneut festgestellt werden, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich Umstände, die für die Eingliederung maßgebend sind, verändert haben.
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