Rz. 23
Zu den kommunalen Eingliederungsleistungen gehört nach Nr. 4 auch die Suchtberatung. Suchtgefahren bestehen vorrangig bei Alkohol, Medikamenten, illegalen Drogen, Glücksspiel, Internet und Computer sowie gestörtem Essverhalten. Auf die Art des Suchtmittels und die Schwere des Suchtverhaltens kommt es allerdings nicht an. Sucht bedeutet Abhängigkeit. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation ist Abhängigkeit ein seelischer, eventuell auch körperlicher Zustand, der dadurch charakterisiert ist, dass ein dringendes Verlangen oder unbezwingbares Bedürfnis besteht, sich die entsprechende Substanz fortgesetzt und periodisch zuzuführen. Durch eine Sucht werden die ursprünglichen Lebensperspektiven aufgegeben, die Bedeutung des Suchtmittels nimmt in unkontrollierbarem Umfang zu. Die Suchtsubstanz wird immer häufiger, in größeren Mengen oder länger als ursprünglich beabsichtigt konsumiert. Die Verringerung oder Aufgabe des Gebrauchs der Suchtsubstanz, zumindest eine Kontrolle, ist Wunsch geblieben oder erfolglos versucht worden. Die Aktivitäten des Süchtigen konzentrieren sich auf die Beschaffung des Suchtmittels, soziale oder Freizeitaktivitäten werden dafür aufgegeben. Damit geht zunehmende Arbeitsmarktferne einher. Die Kenntnis der durch den Konsum verursachten Probleme hindert nicht mehr an der weiteren Einnahme. Süchtigen ist gemeinsam, dass sie mit den Anforderungen des Lebens nicht mehr fertig werden. Suchtursache ist häufig eine Kombination von Merkmalen der Persönlichkeitsstruktur und des psychosozialen Umfelds. Sucht tritt auch oft gemeinsam mit anderen psychischen oder körperlichen Erkrankungen auf. Die Beziehungen und das Umfeld eines Süchtigen sind individuell höchst unterschiedlich. Suchtberatung i. S. der Vorschrift ist keine Therapie.
Rz. 24
Eine Erwerbstätigkeit ist für Süchtige meist hinderlich. Das gilt vielleicht weniger für Raucher, aber insbesondere für Alkoholsüchtige und Drogenkonsumenten. Durch Erwerbstätigkeit können zwar einerseits finanzielle Mittel beschafft werden, mit denen der Sucht weiter nachgegangen werden kann. Andererseits kann auf Dauer eine Erwerbstätigkeit unter Alkohol- oder Drogeneinfluss nicht ausgeübt werden, auch steht die Notwendigkeit der Beschaffung gerade bei Drogen einer Erwerbstätigkeit entgegen. Diagnostische und therapeutische Möglichkeiten in der Suchttherapie können ständig verbessert werden. Die spezifischen Angebote werden jedoch kaum genutzt. Süchtige werden meist in der Allgemeinmedizin durch körperliche oder psychische Grundbetreuung versorgt und gelangen erst gar nicht in eine spezielle Suchtberatung. Hier setzt die Nr. 4 an. Die Suchtberatung ist von therapeutischen Maßnahmen zu unterscheiden.
Es steht ein dichtes Netz an Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Psychotherapeuten und Einrichtungen mit stationären Entwöhnungstherapien zur Verfügung. Gerade bei jungen Menschen eröffnet sich durch Suchtberatung längerfristig eine Perspektive zu einem geordneten Leben, in dem auch eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden kann, durch die die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft zu beseitigen ist. Suchtberatung ist deshalb ggf. auch oder gerade dann angezeigt, wenn der Süchtige nicht alsbald in Erwerbstätigkeit zu integrieren sein wird. Bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen ist zu berücksichtigen, dass Suchttherapien Leistungen nach dem SGB II für Jahrzehnte entbehrlich machen können. Suchtberatung schließt die Beratung von Menschen aus dem sozialen Umfeld des Süchtigen, insbesondere Familienangehörige, ein. Zur Suchtberatung gehören die Anamnese und Indikationsstellung, die Unterstützung des Süchtigen bei der Motivation zur Beendigung der Sucht und die Planung einer systematischen Hilfe einschließlich Entgiftung und Entwöhnung. Eine Kombination der Beratungsleistung mit anderen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit kann hilfreich sein, weil sie soziale Teilhabe ermöglicht und soziale Kompetenz fördern kann. Suchtberatung kann nicht die Erkrankung selbst beseitigen. Präventive Suchtberatung wird nach § 16a die Ausnahme sein, sie wäre kaum als erforderlich für die Eingliederung in das Erwerbsleben einzustufen.