Rz. 2
§ 2 ist von ihrem Charakter her eine Grundsatzvorschrift mit rechtlichen Obliegenheiten des Leistungsberechtigten. Die Vorschrift listet die allerdings nicht einklagbaren Pflichten der Leistungsberechtigten nach dem SGB II auf (vgl. für das Recht der Arbeitsförderung auch § 2 Abs. 5 SGB III). Damit wird umfassend umschrieben, welche Forderungen der Gesetzgeber quasi als Gegenleistung für die Grundsicherung stellt (Workfare-Ansatz). Die nachfolgenden Vorschriften konkretisieren die Obliegenheiten. § 1 Abs. 2 SGB XII stellt ebenfalls die Pflichten Leistungsberechtigter i. S. von Fordern und Fördern heraus. Im Zuge der Einführung des Bürgergeldes mit Wirkung zum 1.1.2023 durch das Bürgergeld-Gesetz sollte die Vorschrift nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zunächst nicht geändert werden, auch die Überschrift ist vollständig erhalten geblieben. Damit sollte klargestellt werden, dass der Grundsatz des Förderns und Forderns trotz des Bedarfes an einer grundlegenden Weiterentwicklung mit dem Ziel, die soziale Sicherung in Deutschland zukunftsfest aufzustellen, erhalten werden sollte. Zu den Zielen des Bürgergeldes gehört es gleichwohl nach den Gesetzesmaterialien zum 12. SGB II-ÄndG, mehr Respekt, mehr Chancen auf neue Perspektiven und mehr soziale Sicherheit in einer modernen Arbeitswelt zu verankern und unnötige bürokratische Belastungen abzubauen. Die Bundesregierung der 20. Legislaturperiode hat sich folgerichtig zum Ziel gesetzt, die Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Einführung eines Bürgergeldes und dazugehörigen grundlegenden Änderungen zu erneuern, und damit mehr Chancengerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Ziel ist demnach ein Sozialstaat, der die Bürger absichert und zugleich dabei unterstützt und ermutigt, ihre Potenziale zu entwickeln und neue Chancen im Leben zu ergreifen. Die vom Deutschen Bundestag beschlossenen Änderungen des Abs. 1 sind nach den Ausschussberatungen vorgeschlagen worden. Durch die Neufassung des Abs. 1 Satz 3 sollte mit der Streichung der verpflichtenden Aufnahme einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit verdeutlicht werden, dass die Auswahl passender Eingliederungsleistungen auf Grundlage der individuellen Bedürfnisse der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person erfolgt. Dabei bleiben die Verpflichtungen zur aktiven Mitwirkung im Eingliederungsprozess, zur Ausnutzung aller Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit und demnach selbstverständlich auch zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen bestehen. Abs. 1 Satz 3 dient daher der Ergänzung und Klarstellung von Satz 1. Im Rahmen der vorrangigen Selbsthilfe und Eigenverantwortung sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen eigene Potenziale nutzen und Leistungen anderer Träger in Anspruch nehmen. Die Neuregelung gilt insgesamt ab 1.7.2023, nicht nur die redaktionelle Anpassung des Begriffs der Eingliederungsvereinbarung durch Kooperationsvertrag. Die Termine zum Inkrafttreten waren im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens angepasst und angeglichen worden.
Rz. 2a
Abs. 1 Satz 1 betont die staatliche Nachrangigkeit schlechthin. Das wird in einer generalklauselartigen Verpflichtung zum Ausdruck gebracht. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige, also der Leistungsberechtigte auf das Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1, und alle Mitglieder, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, haben getrennt und gemeinsam alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder zu verringern und damit den staatlichen Aufwand für sie aus Steuermitteln so gering wie möglich zu halten. Damit geht die Erwartung einher, dass, nachdem die Vermeidung des Eintritts von Hilfebedürftigkeit nicht gelungen ist, es nunmehr zuvörderste Aufgabe des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ist, die Bedarfsgemeinschaft schnellstmöglich wieder aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II herauszuführen und davon unabhängig den Lebensunterhalt zu bestreiten. Seine Umsetzung erfährt dies bis zum 30.6.2023 durch die Eingliederungsvereinbarung nach § 15, die im Regelfall mit jedem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten vom Jobcenter geschlossen werden soll. Ab 1.7.2023 sieht § 15 Kooperationspläne vor, die bis spätestens Jahresende 2023 die Eingliederungsvereinbarung auch im Einzelfall abgelöst haben sollen. In der Eingliederungsvereinbarung sind verbindliche Festlegungen enthalten, welche konkreten Eigenbemühungen der Leistungsberechtigte zur Eingliederung in eine Erwerbstätigkeit zu unternehmen hat. Auch der Kooperationsplan enthält nach § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 n. F. Niederlegungen dazu, welche für eine erfolgreiche Überwindung von Hilfebedürftigkeit, vor allem durch Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit, erforderlichen Eigenbemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte mindestens unternehmen und nachweisen (müssen).
Rz. 2b
Abs. 1 Satz 2 konkretisiert die Pflichten der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aus...