Rz. 44
Abs. 5 sieht einen Rechtsanspruch auf Leistungen für Mehrbedarf vor, die erwerbsfähige Leistungsberechtigte aus rein medizinischen Gründen für eine kostenaufwendige Ernährung benötigen. Mit medizinischen Gründen sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Mehrbedarfes schon nach dem BSHG. Kostenaufwendiger ist eine Ernährung dann, wenn die Ernährung von dem in der Leistung für den Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht. Die Mehrbedarfsleistung nach Abs. 5 dient keiner nachträglichen Entschädigung (LSG Hamburg, Beschluss v. 13.7.2016, L 4 AS 132/14), wenn eine solche Ernährung in der Vergangenheit nicht durchgeführt wurde, denn sie kann auch nicht mehr nachgeholt werden. Das gilt auch für Hygieneartikel und Medikamente. Die Leistungen für Mehrbedarfe setzen einen Grundanspruch auf Bürgergeld und damit Hilfebedürftigkeit i. S. d. § 9 voraus (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 9.7.2009, L 7 AS 566/09 B ER). Voraussetzungen für einen Anspruch nach Abs. 5 sind neben einer Leistungsberechtigung als solcher medizinische Gründe in Form von einer oder mehreren gesundheitlichen Beeinträchtigungen, eine kostenaufwendige Ernährung, die im Vergleich zu dem im Regelbedarf enthaltenen Ernährungsanteil zu bestimmen sei, ein Ursachenzusammenhang i. S. der wesentlichen Bedingung zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwändigen Ernährung sowie die Kenntnis der leistungsberechtigten Person, einer solchen Ernährung zu bedürfen, weil mit dem ernährungsbedingten Mehrbedarf eine medizinisch indizierte kostenaufwändige Ernährung ermöglicht werden soll (BSG, Urteil v. 14.2.2014, B 14 AS 65/12). Der Ursachenzusammenhang muss im Zweifel von Amts wegen ermittelt werden. Ein Wissen des Leistungsberechtigten um die genaue medizinische Ursache i. S. einer zutreffenden Diagnose ist zwar keine Anspruchsvoraussetzung für den Mehrbedarf, wohl aber die Kenntnis um die aus medizinischen Gründen einzuhaltende besondere Ernährung. Ohne diese Kenntnis besteht kein Bedürfnis des Leistungsberechtigten, eine besondere Kostform einzuhalten. Ein Mehrbedarf nach Abs. 5 kann jedem Leistungsberechtigten auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zustehen, nicht nur wie im SGB XII Kranken, Genesenden, Behinderten und davon bedrohten Personen. In der Praxis werden die Regelungen allerdings nicht unterschiedlich gehandhabt. Sinn und Zweck der Leistungen ist es in beiden Fällen, durch die krankheitsbedingte besondere Ernährung drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu verhindern. Dem Umfang nach ist der Mehrbedarf nicht bestimmt, anzuerkennen ist Mehrbedarf in angemessener Höhe. Auf die tatsächliche Einhaltung einer besonderen Ernährungsform kommt es nicht an. Gleichwohl werden in der Praxis der Jobcenter teilweise Tabellenwerte in Abhängigkeit von den Regelbedarfen zugrunde gelegt. Mit medizinischen Gründen sind ausschließlich krankheitsbedingte Gründe gemeint (zum ursächlichen Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwendigen Ernährung vgl. schon BSG, Urteil v. 10.5.2011, B 4 AS 100/10 R). Dann ist ein finanzieller Ausgleich für eine spezielle und deshalb kostenaufwendige Ernährung zu gewähren. Es muss jedoch eine besondere Diät nach ernährungswissenschaftlichen Kriterien erforderlich sein. Ein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis liegt für das LSG Nordrhein-Westfalen vor, wenn mit der Regelernährung bestimmte Inhaltsstoffe nicht vermieden werden können, sodass aus physiologischen Gründen ein objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingt ist, die auf einer spezifischen Ernährungsempfehlung beruht. Die Bewilligung eines Mehrbedarfes wird nicht allein durch Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel begründet, die eine Einschränkung in der Lebensführung darstellt. Ein Mehrbedarf kommt demnach erst in Betracht, wenn ohne teure Ersatzprodukte gesundheitliche Einschränkungen drohen oder aber keine ausreichende Auswahl an Alternativprodukten zur Verfügung steht. Für eine ausgewogene Ernährung bedarf es danach keines Einkaufs im Biomarkt oder Reformhaus (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 8.12.2016, L 7 AS 578/15).
Rz. 45
Die Regelung setzt eine kostenaufwendige Ernährung voraus, die aus medizinischen Gründen notwendig ist. Medizinische Notwendigkeit besteht bei Nachweis durch ein ärztliches Attest. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen dafür verwendete Vordrucke keinen Hinweis auf den Leistungsträger bzw. das Jobcenter enthalten. Kosten für ein Attest können bis zur Höhe von 5,36 EUR übernommen werden (§ 65 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 62 SGB I). Der Natur der Sache nach liegt eine kostenaufwendige Ernährung nur vor, wenn sie durch die Leistung für den Regelbedarf nicht abgedeckt werden kann; im Allgemeinen wird als Maßstab etwa die Hälfte der Leistung für den Regelbedarf für Ernährung zur Verfügung stehen. Das lässt sich im Regelfall nicht genau definieren, weil diese Summ...